Diagnose

Ichthyosis prematurity syndrome (recessive ichthyosis congenita type IV)

Diskussion
Aufgrund der typischen klinischen Symptome mit neonataler Asphyxie, verdickter desquamativer Epidermis und Polyhydramnion (Tabelle 1) wurde klinisch ein ichthyosis prematurity syndrome (IPS; Syn.: recessive ichthyosis congenita type IV) diagnostiziert. Die bisher größte Fallserie mit 23 IPS-Patienten beschreibt bei allen Betroffenen diese klassische klinische Symptomatik mit zudem variabler Eosinophilie und meist vorhandener Erhöhung des Gesamt-IgE [1].
In der pränatalen Sonographie sind häufig echoreiche Ablagerungen innerhalb der Amnionflüssigkeit und innerhalb des Magens darzustellen. Diese verhindern die Passage der Amnionflüssigkeit durch den Gastrointestinaltrakt und verursachen ein Polyhydramnion, wodurch es zur Aspiration mit Asphyxie kommt. Beim IPS handelt es sich um eine seltene kongenitale, autosomal- rezessive Ichthyose. Die Inzidenz wird insgesamt auf 1 : 200 000 Neugeborene geschätzt [4], mit gehäuftem Auftreten in einer kleinen Region in Norwegen und Schweden (dortige Prävalenz nahezu 1 : 50 000) [2, 3].

Bei unserem Patienten erfolgte bei zunächst ungeklärter Diagnose unter dem Verdacht einer Infektion eine Antibiose (Cefotaxim, Ampicillin, später Clarithromycin bei Ureaplasmen-Nachweis bei der Mutter). Topisch wurden Dexpanthenol und Ölbäder eingesetzt. Wie für das IPS beschrieben, zeigte sich bei unserem Patienten eine rasche Besserung des Hautbefundes mit milder Ichthyose nach sechs Monaten.
Zur Diagnosesicherung eines IPS kann ergänzend eine elektronenmikroskopische Hautuntersuchung erfolgen. Hierbei zeigen sich irreguläre Ablagerungen von trilamellären Membranen in den Korneozyten des Stratum granulosum und corneum sowie eine erhöhte Anzahl an Lipidvakuolen. Zudem besteht die Möglichkeit, bei einer Genanalyse die entsprechende Mutation im Fettsäuretransportprotein-4-Gen (FATP4) nachzuweisen. FATP4 befindet sich auf dem langen Arm von Chromosom 9 und kodiert für ein integrales Transmembranprotein, welches eine wichtige Rolle für die interzelluläre Lipidmatrix spielt [2, 5, 6]. Aus der Mutation resultiert ein Verlust der epidermalen Barrierefunktion, wodurch – ähnlich wie bei der Ichthyosis vulgaris – atopische Erkrankungen mit Entwicklung IgE-vermittelter Sensibilisierungen begünstigt werden [7]. Die Eltern unseres Patienten stimmten weder einer Hautprobe noch einer Gendiagnostik zu.

Differenzialdiagnostisch muss man daher weitere kongenitale Ichthyosen in Betracht ziehen [8]. So wurde eine käseartige desquamative Verdickung der Haut gelegentlich auch beim KID-Syndrom beobachtet (Keratitis-Ichthyosis-Taubheit-Syndrom) [6]. Bei der Harlequin-Ichthyose (HI) werden die Kinder mit einem verdickten, harten Stratum corneum (panzerartig) geboren, dieses schränkt Beweglichkeit und Atmung
ein [9, 10]. Kinder mit lamellärer Ichthyose (LI) oder nicht-bullöser kongenitaler ichthyosiformer Erythrodermie (NBCIE) kommen meist als Frühgeborene mit einer Kollodiummembran zur Welt (Kollodiumbabys) [9, 10]. Ichthyosen, bei denen Hautveränderungen bereits kongenital vorhanden sind, treten deutlich seltener auf als Ichthyosen, bei denen sich die Symptome erst nach der Geburt entwickeln (Ichthyosis vulgaris, x-chromosomal gebundene rezessive Ichthyose) [8].

Zusammenfassend scheint bei unserem Patienten die Diagnose eines IPS aufgrund der typischen klinischen Trias aus Frühgeburt, Asphyxie und verdickter desquamativer Epidermis am wahrscheinlichsten. Trotz des in der Regel gutartigen Verlaufs der Erkrankung nach den Komplikationen der Perinatalperiode ist eine konsequente dermatologische Mitbetreuung häufig notwendig.

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Khnykin D, Rønnevig J, Johnsson M et al. Ichthyosis prematuritysyndrome: clinical evaluation of 17 families with a rare disorder of lipid metabolism. J Am Acad Dermatol 2012; 66(4): 606–16.
2 Klar J, Schweiger M, Zimmerman R et al. Mutations in the fatty acid transport protein 4 gene cause the ichthyosis prematurity syndrome. Am J Hum Genet 2009; 85: 248–53.
3 Ganemo A, Pigg M, Virtanen M et al. Autosomal recessive congenital ichthyosis in Sweden and Estonia: clinical, genetic and ultrastructural findings in eighty-three patients. Acta Derm Venereol 2003; 83: 24–30.
4 Anton-Lamprecht I. The skin. In: Papadimitriou JM, Henderson DW, Spagnolo DV (eds.): Diagnostic ultrastructure of nonneoplastic diseases. Edinburgh: Churchill and Livingstone, 1992: 459–550.
5 Kiely C, Devaney D, Fischer J et al. Ichthyosis prematurity syndrome: a case report and review of known mutations. Pediatr Dermatol 2014; 31(4): 517–8.
6 Bygum A, Westermark P, Brandrup F. Ichthyosis prematurity syndrome: a well-defined congenital ichthyosis subtype. J Am Acad Dermatol 2008; 59(5 Suppl): S71–4.
7 Traupe H, Fischer J, Oji V. Nonsyndromic types of ichthyoses – an update. J Dtsch Dermatol Ges 2014; 12(2): 109–21.
8 Krug M, Oji V, Traupe H, Berneburg M. Ichthyoses – Part 2: Congenital ichthyoses. J Dtsch Dermatol Ges 2009; 7(7): 577–88.
9 Akiyama M. Harlequin ichthyosis and other autosomal recessive congenital ichthyoses: the underlying genetic defects and pathomechanisms. J Dermatol Sci 2006; 42:83–9.
10 Craiglow BG. Ichthyosis in the newborn. Semin Perinatol 2013; 37(1): 26–31.

 

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