Diagnose

Borreliose im Stadium II mit multiplen Erythemata migrantia

Weitere Diagnostik

Mittels ELISA konnten Borrelien-IgM- und IgG-Antikörper nachgewiesen werden. Im Westernblot fanden sich Borrelien-IgM-Antikörper (OspC, 25 kDa) ohne Nachweis von IgG-Antikörpern. Obwohl ein Zeckenstich nicht erinnerlich war, konnte in Zusammenschau mit der charakteristischen Klinik die Diagnose einer frischen Borrelien-Infektion gestellt werden.

Therapie und Verlauf
Unter einer Therapie mit Cefuroximaxetil in einer Tagesdosis von 30 mg/kg KG über 21 Tage kam es innerhalb weniger Tage zur vollständigen Rückbildung der Erytheme. Organmanifestationen der Borreliose wurden im Verlauf nicht beobachtet. In einer Kontrollserologie vier Monate später waren persistierende IgG-Antikörper aber keine Borrelien- IgM-Antikörper mehr im ELISA nachweisbar.

Diskussion
Die Lyme-Borreliose ist in der nördlichen Hemisphäre eine der häufigsten durch Zecken übertragenen Infektionserkrankungen [1–3]. Die durch Borrelia-burgdorferi-Spezies ausgelöste Erkrankung wird in drei Stadien eingeteilt: die frühe lokalisierte, die frühe disseminierte und die späte chronische Infektion. Im ersten und häufigsten Stadium zeigt sich in 60–90 % der Fälle ein Erythema migrans nach einer Inkubationszeit von 10–30 Tagen. Klassischerweise sieht man ein sich langsam peripher ausbreitendes, makulöses, randbetontes Erythem, welches meist eher blass erscheint und subjektiv symptomlos ist, sodass es häufig übersehen wird [2, 4]. Die klinische Variabilität der Erytheme ist jedoch groß, sodass sich auch urtikarielle oder flammende bzw. livid-rote, stationäre Erytheme zeigen können. Im Kindesalter findet sich das Erythema migrans häufig im Kopf-Hals-Bereich, besonders auch in der Wangenregion [4].

Im Rahmen einer frühen hämatogenen Aussaat aber auch in Folge mehrerer gleichzeitig erfolgter Zeckenstiche treten in Europa bei 5–10 % der mit Borrelien infizierten Patienten multiple Erythemata migrantia auf. Bei einer disseminierten Frühinfektion zeigen sich oft auch Allgemeinsymptome wie Fieber, Müdigkeit, Myalgien, Arthralgien, Kopfschmerzen [2, 4, 5]. Bei Kindern sieht man multiple Erythemata migrantia weitaus häufiger als bei Erwachsenen, Allgemeinsymptome sind dagegen mit 30 % deutlich seltener [5].

Differenzialdiagnostisch ist insbesondere die hypererge Insektenstichreaktion abzugrenzen, welche durch eine deutlich kürzere Latenzzeit bis zum Auftreten gekennzeichnet ist. Weitere wichtige Differenzialdiagnosen sind unspezifische Ekzeme, Granuloma anulare, bakterielle Weichteilinfekte, Erysipel, fixe-toxische Arzneimittelreaktion, eine beginnende zirkumskripte Sklerodermie oder die bei Kindern mit kleinfleckigen Erythemen im Gesicht auftretenden Ringelröteln Parvovirus-B19-Infektion) [2–4].

Ist das klinische Bild typisch, sollte zunächst auch ohne vorhandene Serologie therapiert werden. Bei klinisch nicht eindeutigen Formen wird nach den mikrobiologisch infektiologischen Qualitätsstandards (MIQ) die Durchführung eines sensitiven IgG- und IgM-Antikörper-ELISA und bei positiven oder grenzwertigen ELISA-Titern eine weiterführende spezifische Immunoblot-Diagnostik empfohlen [3, 4]. Diese zeigt bei 80 % der Patienten erst nach mehr als vier Wochen erhöhte IgM- und/oder IgG-Antikörpertiter. Im Spätstadium sind IgG-Antikörper immer positiv, auch IgM-Antikörper können noch Jahre später nachgewiesen werden. Daher eignet sich die Serologie weder zu einer sicheren Verlaufskontrolle noch zur Differenzierung zwischen einer floriden Spätinfektion und einer ausgeheilten Infektion.

In unklaren Fällen kann gegebenenfalls mittels PCR, z. B. aus einer Hautbiopsie, Borrelien-DNA nachgewiesen werden. Die Sensitivität des Tests liegt bei 80 %. Ein negatives Ergebnis kann eine Borreliose nicht sicher ausschließen [3, 4].

Die Therapie sollte nach den Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Fachgesellschaften erfolgen [6]. Antibiotika der ersten Wahl bei der lokalisierten Frühform sind Doxycyclin und Amoxicillin. Die Therapie ist mindestens 2–3 Wochen lang durchzuführen. Zu beachten ist, dass bei Kindern unter 9 Jahren Doxycyclin aufgrund von induzierbaren Zahnschmelzdefekten und Verfärbungen der Zähne kontraindiziert ist. Im vorliegenden Fall wurde mit dem gut verträglichen Cefuroximaxetil als leitliniengemäße Therapiealternative behandelt, welches im Gegensatz zum dreimal täglich anzuwendenden Amoxicillin nur zweimal täglich gegeben werden muss. Cephalosporine der 3. Generation und Penicillin G sollten nur i.v. und bei neurologischen Symptomen angewendet werden. Unter den Makroliden ist allein Azithromycin wirksam [4].

Zirka 7–14 Tage nach Therapiebeginn kommt es normalerweise zum Abklingen der Erytheme. Vorhandene Allgemeinsymptome können noch bis zu drei Monaten nach Therapie bestehen. Bei frühzeitig erfolgter adäquater Therapie im Stadium I und II kommt es in der Regel zu einer vollständigen Ausheilung der Borreliose. Reinfektionen sind bei fehlender bleibender Immunität jedoch stets möglich [3, 4].

Unter der Therapie mit β-Laktamantibiotika kann es selten, meist am 1.–2. Tag, zu einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion kommen: Fieber, Abgeschlagenheit und Aufflammen der Erytheme werden dabei beobachtet. Die Therapie kann ohne Einschränkungen fortgeführt werden [4].

Literatur
1 Benedix F, Weide B, Broekaert S et al. Early disseminated borreliosis with multiple erythema migrans and elevated liver enzymes: case report and literature review. Acta Derm Venereol 2007; 87: 418–21.
2 Hofmann H. Lyme borreliosis and other nonvenereal spirochetal infections. In: Braun Falco O, Burgdorf WHC, Plewig G, Wolff HH et al. (Hrsg): Dermatology. Heidelberg: Springer, 2009: 166–75.
3 Stanek G, Wormser GP, Gray J et al. F. Lyme borreliosis. Lancet 2012; 379: 461–73.
4 Hofmann H, Schnopp C. Kinderdermatologie. Aktuelle Aspekte bakterieller Hautinfektionen im Kindesalter. Hautarzt 2009; 60: 183–93.
5 Egberts F, Möller M, Proksch E et al. Multiple erythema migrans – manifestation of systemic cutaneous borreliosis – Review Article. J Dtsch Dermatol Ges 2008; 6: 350–4.
6 AWMF-Leitlinien-Register Nr. 013/044. Kutane Manifestationen der Lyme-Borreliose. Stand 02/2009. Available from: http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html

 

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