Diagnose

Perianale Hautmanifestation einer primär systemischen Amyloidose bei multiplem Myelom

Diskussion
Amyloidosen sind eine Gruppe seltener Erkrankungen, in deren Verlauf es zur vermehrten Ablagerung unlöslicher fibrillärer Proteine in unterschiedlichen Organsystemen kommt. Die konsekutiv entstehenden Fehlfunktionen betreffen neben der Haut insbesondere das Herz (Arrhythmien), die Niere (Proteinurie), das Nervensystem (periphere Neuropathie) und den Gastrointestinaltrakt (Diarrhoe) [1, 2]. 

Aus dermatologischer Sicht unterscheidet man zwischen primär kutanen Amyloidosen (Lichen amyloidosus; makulöse und noduläre Hautamyloidose), sekundär kutanen Formen (beispielsweise Amyloidablagerungen bei epithelialen Tumoren) sowie kutanen Manifestationen bei systemischer Amyloidose: Primäre systemische (AL-)Amyloidose, sekundäre systemische (AA-)Amyloidose, hereditäre (ATTR-)Amyloidose) [2–4]. 

Die AL-Amyloidose, bei der es zur Ablagerung von Immunglobulinleichtketten-Derivaten kommt, ist häufig mit einem multiplen Myelom assoziiert [1]. 

Infolge einer überschießenden Sekretion von IgG-Leichtketten (Protein AL, insbesondere vom λ-Typ) durch einen im Knochenmark aktiven Plasmazellklon, lagern sich die Proteine in verschiedenen Organsystemen ab. Eine Hautbeteiligung liegt bei etwa 50 % der Patienten vor. Selbige ist meist eine frühe, teilweise sogar die initiale klinische Manifestation der Erkrankung. Führend sind Petechien, teils auch ausgedehnte Purpuraherde intertriginös sowie im Gesicht (besonders periorbital) [5–7]. Ferner finden sich oft wachsartige, teils hämorrhagische Papeln an Augenlidern, Lippen oder der Mundschleimhaut. Die Hautveränderungen sind meist asymptomatisch. Auch Alopezien und Nageldystrophien sind beschrieben [8]. 

Eine Makroglossie, die im vorliegenden Falle anamnestisch als Quincke-Ödem eingestuft wurde, kann ebenfalls erstes klinisches Zeichen einer systemischen Amyloidose sein [9]. 

Eine perianale Hautmanifestation in Assoziation mit einem multiplen Myelom wie im vorliegenden Kasus ist hingegen extrem selten. Es existieren bisher lediglich zwei Fallberichte. Buezo et al. beschrieben erstmals 1996 condylomartige Effloreszenzen perianal im Sinne einer lokalisiert kutanen Amyloidose bei vorbekanntem Plasmozytom und auch Schiera et al. veröffentlichten 2004 das Phänomen gestielter warziger Tumoren an ebendieser Lokalisation, simultan zu mukokutanen Ekchymosen und einer Makroglossie als Varianten der Amyloidose [5, 10]. 

Differenzialdiagnostisch sollte bei verrukösen Läsionen perianal neben Feigwarzen auch an Condylomata lata gedacht werden. Ferner müssen je nach klinischem Bild Marisken und auch Plattenepithelkarzinome bedacht werden. Konfluierende Papeln und eine wachsartige Textur der Haut lassen an den Formenkreis der Lipoidproteinosen sowie an einen Lichen myxoedematosus denken [3]. Petechien oder Ekchymosen können auf Vaskulitiden oder Purpura senilis hinweisen. 

Der Verlauf der primär systemischen Amyloidose ist zumeist progredient und mit einer schlechten Prognose assoziiert [2]. Die Therapie der kutanen Erscheinungsformen systemischer Amyloidosen ist im Wesentlichen symptomatischer Natur. Im Vordergrund steht die Behandlung der hämatologischen Grunderkrankung. Diese umfasst Chemotherapeutika wie Melphalan und schließt nicht selten auch eine Stammzelltransplantation mit ein [1]. 

Die Behandlung unseres Patienten umfasste topische Antiseptika und stuhlregulierende Maßnahmen (ausreichende Trinkmengen, Flohsamen). Neben der kutanen Komponente entwickelte er im Verlauf zusätzlich eine kardiale und gastrointestinale amyloidale Beteiligung. Trotz intensivierter Chemotherapie (zuletzt Bortezomib und Dexamethason) zeigte der Patient jedoch einen deutlichen Progress des Myeloms und verstarb schließlich. 

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass bei Auftreten livider Erytheme mit verrukösen Strukturelementen im Perianalbereich auch an seltene Diagnosen wie kutane Manifestationen einer Amyloidose gedacht werden muss. Insbesondere Ekchymosen bzw. Purpura weisen differenzialdiagnostisch in diese Richtung. Nicht selten gehen die Hauterscheinungen einer systemischen Manifestation der Amyloidose voraus. Daher sollte bei kutanen Amyloidablagerungen stets die Suche nach einer Störung der Serumproteine (insbesondere eine hämatologische Grunderkrankung) erfolgen.

Interessenkonflikte
Keiner.

Literatur

1 Desport E, Bridoux F, Sirac C et al. AL amyloidosis. Orphanet J Rare Dis 2012; 7: 54.
2 Saeger W, Röcken Ch. Amyloid: Mikroskopischer Nachweis, Klassifikation und klinischer Bezug. Pathologe 1998; 19: 345–54.
3 Ratz JL, Bailin PL. Cutaneous amyloidosis, a case report of the tumefactive variant and a review of the spectrum of clinical presentations. J Am Acad Dermatol 1981; 4: 21–6.
4 Franklin EC. Amyloid and Amyloidosis of the skin. J invest Dermatol 1976; 67: 451–6.
5 Schiera A, Pini M, Pioltelli P et al. Perianal condyloma-like lesions in multiple myeloma associated amyloidosis. Eur J Dermatol 2004; 14: 193–5.
6 Laimer M, Kaindl K, Emberger M et al. Systemic AL-lambda amyloidosis associated with vascular fragility. J Dtsch Dermatol Ges 2004; 2(11): 934–9.
7 Niesmann J, Altmeyer P, Kreuter A. Plane periorbital bleeding and waxy papules. J Deutsch Dermatol Ges 2007; 5(8): 711–3.
8 Lutz ME, Pittelkow MR. Progressive generalized alopecia due to systemic amyloidosis. J Am Acad Dermatol 2002; 46(3): 434–6.
9 Becker MR, Rompel R, Plum J, Gaiser T. Light chain multiple myeloma with cutaneous AL amyloidosis. J Dtsch Dermatol Ges 2004; 6(9): 744–5.
10 Buezo GF, Penas PF, Firaga J et al. Condyloma-like lesions as the presenting sign of multiple myeloma associated amyloidosis. Br J Dermatol 1996; 135: 665–6. 

 

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