Diagnose

Isolierte perianale Condylomata lata bei Sekundärsyphilis

Laborbefunde
TPHA-Syphilis-Suchreaktion: 1 : 40 960 (1 : < 80); Treponema
pallidum -spezifi sche Antikörper IgG/IgM: positiv;
Treponema pallidum -spezifi sches IgM im Immunoblot nachweisbar;
Cardiolipin-Mikrofl ockungs-Test (VDRL): 1 : 128
(1 : < 2); HIV (Elisa) und HSV (DNA, IgM-, IgG-Antikörper)
negativ.


Diskussion
Syphilis ist eine Infektionserkrankung durch das Bakterium
Treponema pallidum , die nahezu ausschließlich sexuell übertragen
wird. Die Erkrankung ist gut therapierbar, kann aber
unbehandelt in mehreren Stadien verlaufen, deren Spätformen
Nervensystem und Herz-Kreislauf-System irreversibel
schädigen können [ 1 ] . Syphilis tritt heutzutage am häufi gsten
(ca. 80 %) bei Männern auf, die Geschlechtsverkehr mit
Männern haben; 30 % davon sind zusätzlich HIV-positiv [ 2 ] .
In Deutschland traten im Jahr 2013 6,1 Fälle pro 100 000
Einwohner auf [ 3 ] .
Die Überweisung des Patienten erfolgte wegen der relativ
raschen Entstehung der Herde mit der Verdachtsdiagnose
Keratoakanthom. Als Differenzialdiagnose (DD) galt das
Carcinoma spinocellulare, wobei die Abklatschherde als Satellitenmetastasen
gedeutet wurden. Unsere klinischen DD waren,
vor allem wegen der „Abklatschherd“-artigen Läsionen,
ein erregerbedingtes Geschehen (Herpes vegetans [HV], Ulcus
molle [ Haemophilus ducreyi ], Syphilis). Gegen HV sprachen
die gering ausgeprägte Schmerzhaftigkeit sowie der gute
Allgemeinzustand des Patienten. Patienten mit HV leiden zumeist
an einem beeinträchtigten Immunsystem, beispielsweise
bei einer HIV-Infektion oder einem Lymphoms [ 4 ] .
Der letzte ungeschützte anale Sexualkontakt des Patienten
habe etwa acht Monate zuvor in Thailand stattgefunden;
dies wurde aber erst nach intensivem Nachfragen
eingeräumt. Unsere Befunde waren der Syphilis-Leitlinie der
Deutschen STI-Gesellschaft (die Infektion erfolgte vor weniger
als einem Jahr) entsprechend dem Sekundärstadium einer
Frühsyphilis zuzuordnen [ 5 ] . Dieses Stadium ist wegen seines
Erregerreichtums hoch infektiös.
Die klinische Trias dieser Phase umfasst typischerweise
ein nicht juckendes Exanthem, Plaques muqueuses und eine
Lymphadenopathie. Allerdings kann sich die Syphilis sehr
vielgestaltig präsentieren [ 6 ] . Die Läsionen dieses Stadiums
bezeichnet man allgemein als Syphilide.
Gut bekannt sind Condylomata lata, die ebenfalls Syphiliden
entsprechen, aber eher beetartig, oft breitbasig verrukös
auftreten [ 7 ] . Nicht selten werden Condylomata lata fälschlich
als durch humane Papillomviren (HPV) bedingte Condylomata
acuminata diagnostiziert [ 8 ] . Häufi ge Prodromi
einer Frühsyphilis sind Allgemeinsymptome wie Fieber, Kopfschmerzen,
Abgeschlagenheit, Myalgien und Arthralgien.
Der Laborbefund ist beweisend für eine bestehende
Infektion mit Treponema pallidum , ebenso wie der Erregernachweis
im Dunkelfeld oder in der Immunhistologie.
Letztere kann damit bei der histologischen Untersuchung
einen wichtigen Beitrag leisten, vorausgesetzt der Pathologe
wird auf die Differenzialdiagnose Syphilis hingewiesen
(Abbildung 2 ). In der Routinehistologie lassen sich keine
syphilisspezifi schen Veränderungen erkennen. So kann zum
Beispiel ein hoher Plasmazellreichtum im entzündlichen
Infi ltrat auf eine Syphilis hinweisen, aber ebenso auf eine
chronische Herpesinfektion [ 4 ] . Ein geringer Plasmazellanteil
spricht jedoch nicht gegen eine Syphilis [ 9 ] .
Die Therapie der Wahl ist nach wie vor die intramuskuläre
Gabe von Benzathin-Benzylpenicillin, da sich bis heute keine
Resistenzen gegen Penicillin ausgebildet haben. Sie besteht bei
der Spätsyphilis aus drei Injektionen Benzathin-Benzylpenicillin
(insgesamt 7,2 Mio. IE) im Abstand von jeweils sieben Tagen.
Bei der Frühsyphilis ist eine einmalige Injektion von 2,4
Mio. IE Benzathin-Benzylpenicillin ausreichend.
Nach Eingang der Syphilisserologie therapierten wir aufgrund
der unklaren Angaben des Patienten leitliniengerecht wie
bei einer Spätsyphilis. Erst wiederholte Befragungen ergaben
dann im Verlauf die Zuordnung zum Sekundärstadium einer
Frühsyphilis. Nach Abschluss der Therapie kam es bei dem
Patienten zu einer nahezu vollständigen Rückbildung der perianalen
Läsionen (Abbildung 3 ).
Als eine Besonderheit unseres Falles ist festzuhalten,
dass der Befund primär wohl deshalb nicht zur Diagnose Syphilis
führte, weil nur wenige Condylomata lata bestanden,
allerdings bei unvollständiger Sexualanamnese. Ebenfalls
ungewöhnlich sind die fehlende Allgemeinsymptomatik und
die fehlende generalisierte Lymphadenopathie.
Abschließend muss hervorgehoben werden, dass bei unklaren
proktologischen Befunden immer auch eine sexuell
übertragbare Infektion in Betracht gezogen werden muss.
Daher sind eine gründliche Sexualanamnese sowie gegebenenfalls
weiterführende diagnostische Untersuchungen unumgänglich.


Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Dourmishev LA , Dourmishev AL . Syphilis: uncommon presentations
in adults . Clin Dermatol 2005 ; 23 : 555 – 64 .
2 Spornraft-Ragaller P , Boashie U , Esser S . Sexually transmitted
infections in the anorectal region . Hautarzt 2015 ; 66 ( 6 ):
430 – 8 .
3 Robert-Koch-Institut . Syphilis in Deutschland. Epidemiologisches
Bulletin 50/2014. Available on: www.rki.de [Last
accessed September 8, 2015].
4 Roemer A , Greiner A , Enk A et al. Herpes simplex
vegetans: eine atypische genitale Herpesinfektion mit
ausgeprägter Plasma-Zellinfiltration bei chronischer
lymphatischer B-Zell-Leukämie , J Dtsch Dermatol Ges
2008 ; 6 ( 10 ): 865 – 7 .
5 Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG) . Diagnostik und Therapie
der Syphilis. AWMF-Register Nr. 059/002. Klasse S2k/2014.
Available on: www.awmf.org [Last accessed September 8,
2015].
6 Pournaras CC , Masouya I , Piletta P et al. Extensive annular
verrucous late secondary syphilis . Br J Dermatol 2005 ; 152 :
1343 – 5 .
7 Geusau A . Syphilis . In: Plewig G , Landthaler M , Burgdorf WHC
et al. Braun-Falco‘s Dermatologie, Venerologie und Allergologie.
6. Auflage. Berlin , Heidelberg : Springer Verlag , 2012 :
299 – 323 .
8 Bruins FG , van Deudekom FJA , de Vries HJC . Syphilitic
condylomata lata mimicking anogenital warts . BMJ 2015 ;
350 : h1259 .
9 Toberer F , Hadaschik E , Enk A et al. Atypical painful fissure .
J Dtsch Dermatol Ges 2013 ; 11 ( 11 ): 1094 – 6 .

 

<< zurück

Die Diagnosequzze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft