Diagnose

Diagnose:
Neuropathische digitale Ulzerationen bei bilateralem Carpaltunnelsyndrom

Klinischer Verlauf
Die Nervensonographie und die Elektroneurographie des Nervus medianus bestätigten die Diagnose eines schweren bilateralem Carpaltunnelsyndroms (CTS). Der Nervus medianus zeigte sich beidseits sonographisch deutlich abgeflacht und weder motorische noch sensorische Aktionspotentiale waren ableitbar. Im Hand-Röntgen konnten Osteolysen an den distalen Phalangen des linken Zeige- und Mittelfingers dargestellt werden. Eine chirurgische Nervendekompression wurde beidseits durchgeführt. Im weiteren Verlauf präsentierte sich die Patientin schmerzfrei mit regredienter Hypästhesie und heilenden Ulzera.

Diskussion
Dieser Fall verdeutlicht, dass bei Hautveränderungen an den ersten drei Fingern einer oder beider Hände, an ein CTS gedacht werden sollte.
Beim CTS handelt es sich um eine Neuropathie welche durch Kompression des Nervus medianus auf Höhe des Handgelenkes verursacht wird [1]. Da der Nerv sensorische, motorische und autonome Nervenfasern, insbesondere der Finger 1–3, führt, stellen Hypästhesie, nächtliche Schmerzen sowie in späteren Stadien die Thenaratrophie, typische Symptome des CTS dar [2, 3]. Zu den diagnostischen Tests werden das Tinel-Zeichen sowie der Phalen-Test gezählt. Kommt es bei Perkussion des Retinaculum flexorum der Hand oder bei einminütiger maximaler Flexion des Handgelenkes zu Schmerzen und Parästhesien im distalen Versorgungsgebiet des Nervus medianus, so ist das Ergebnis positiv. Die Elektroneurographie kann bei der Diagnosesicherung hilfreich sein [1, 2].
Mit einem CTS assoziierte Hautveränderungen werden in circa 20 % der Fälle beobachtet, wobei diese meist subtil als digitale Erytheme, manchmal jedoch auch als bullöse Läsionen oder Nageldystrophien erscheinen können [2, 3]. In fortgeschrittenen Stadien können Hautulzerationen, Akrosklerose und Akroosteolyse auftreten [3]. Die ulzerative Variante des CTS, welche erstmals von Bouvier et al. im Jahr 1979 beschrieben wurde, wird nur selten beobachtet [4]. Die Läsionen treten hier typischerweise an den Fingerspitzen des Zeige- und Mittelfingers auf, da diese Areale besonders leicht traumatisiert werden [2, 3]. Mechanische und thermische Verletzungen stellen wichtige prädisponierende Faktoren des mutilierenden CTS dar. Dies zeigt sich gut am Beispiel unserer Patientin, welche durch ihre Arbeit in der Landwirtschaft kontinuierlich mechanischem Trauma ausgesetzt war [2, 5]. Vermutlich musste die Indikation zur Amputation des distalen Zeigefingers auch aufgrund des CTS gestellt werden. Akroosteolysen wurden ebenfalls öfter bei Handarbeitern mit schon langer bestehender unbehandelter Symptomatik beschrieben [5]. Während das CTS häufig bilateral ist, kommt die ulzerative Variante meist unilateral vor [1, 3]. In diesen fortgeschrittenen Stadien des CTS ist die prompte chirurgische Nervendekompression von großer Bedeutung, um die Entstehung neuer Läsionen vorzubeugen und fortschreitende irreversible Schäden zu vermeiden [3].

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Padua L, Coraci D, Erra C et al. Carpal tunnel syndrome: clinical features, diagnosis, and management. Lancet Neurol 2016; 15: 1273–84.
2 Fritz TM, Burg G, Böni R. Carpal tunnel syndrome with ulcerous skin lesions. Dermatology 2000; 201: 165–7.
3 Romani J, Puig L, de Miguel G, de Moragas JM. Carpal tunnel syndrome presenting as sclerodactylia, nail dystrophy and acro-osteolysis in a 60-year-old woman. Dermatology 1997; 195: 159–61.
4 Bouvier M, Lejeune E, Routillat M, Marionnet J. Disfiguring ulcer form of the carpal tunnel syndrome. Rev Rhum Mal Osteoartic 1979; 46: 169–76.
5 Tosti A, Morelli R, D’Alessandro R, Bassi F. Carpal tunnel syndrome presenting with ischemic skin lesions, acroosteolysis and nail changes. J Am Acad Dermatol 1993; 29: 287–90.

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft