Diagnose

Bullöses Pilomatrixom (BP)

Diskussion
Das Pilomatrixom erscheint normalerweise als einzelner, fester, tief dermal lokalisierter Knoten mit darüber liegender unauffälliger Epidermis. Eine bullöse Erscheinung wurde selten beschrieben. In einer Analyse von insgesamt 209 Fällen durch Julian und Bowers zeigten nur vier Pilomatrixome ein bullöses Bild, das als “in einem Flüssigkeitssee schwimmend” beschrieben wurde, und von den Autoren als lymphangiektatische Variante bezeichnet wurde [1].

Prädilektionsstellen des BP sind Schulter und Oberarm, und die meisten Fälle treten wie beim gewöhnlichen Pilomatrixom in der zweiten und dritten Lebensdekade auf. Anetoderme Veränderungen der darüber liegenden Haut im Spätstadium sind beschrieben worden. Charakteristika dieser Variante sind eine weiche, stark gefältelte, striatische Haut und ein fokaler Verlust elastischer Fasern der Dermis oberhalb des Pilomatrixoms, verbunden mit einer Anetodermie [1, 2]. Im anglo-frankophonen Sprachraum wird das BP als anetodermes Pilomatrixom bezeichnet [2, 3]. Mit der Zeit können sich die bullösen Veränderungen zurückbilden, was, bedingt durch Kollagenveränderungen und einen Verlust elastischer Fasern, zu einem vorwiegend anetodermen Bild führt. Bhushan und Hussain schlugen vor, das BP als identisch mit oder als Vorstadium des anetodermen Pilomatrixoms anzusehen [4].

Histologisch ergab sich das Bild eines typischen Pilomatrixoms der tiefen Dermis. Über dem Tumor war es zu einem deutlichen dermalen, alzianblau-negativen Ödem gekommen. Dilatierte Lymphgefäße waren mit abgeflachten Endothelzellen ausgekleidet; in deren Umgebung trat eine Vielzahl kleiner Gefäße zusammen mit einer diskreten Entzündungs- bzw. Fremdkörperreaktion auf [1]. Tatsächlich ist die Bezeichnung “bullöse Variante des Pilomatrixoms” irreführend, da nicht das Pilomatrixom, sondern die darüber liegende Haut bullös verändert ist.

Differentialdiagnostisch sind v.a. blasenbildende Erkrankungen, Fehlbildungen der Lymphgefäße und das maligne Pilomatrixom in Betracht zu ziehen. Die klinisch-pathologischen Charakteristika erlauben jedoch zumeist eine sichere Diagnose. Derzeit wird von einer Obstruktion der Lymphgefäße mit einem Lymphstau durch den wachsenden Tumor ausgegangen, die zu einer Lymphgefäßdilatation, einem Austritt von Lymphe und einem Ödem in der Umgebung des Tumors führt, wodurch die Läsion ihr bullöses Erscheinungsbild erhält [5, 6]. Alternativ könnte es zu einer Produktion elastolytischer Enzyme durch Tumorzellen oder einwandernde Entzündungszellen kommen, mit nachfolgender Zerstörung kollagener Fasern, Dilatation und Destruktion von Lymphgefäßen, einem Lymphaustritt in die Dermis und der beobachteten Blasenbildung [5]. Beide Theorien widersprechen sich nicht: Eine betrachtet den biomechanischen, die andere den biochemischen Aspekt [6].

Die meisten Autoren gehen davon aus, dass die Blasen bei BP keine “echten” Blasen sind, sondern bullöse, lymphgefüllte Räume. Nach Li et al. ist die Entwicklung der anetodermen Form des Pilomatrixoms nicht den intrinsischen Eigenschaften des Tumors geschuldet, sondern durch die mechanische Traumatisierung der Dermis und der vaskulären Mikroumgebung bedingt [ 7 ] . Die Autoren fanden in einer immunhistochemischen Färbung für D2-40 nicht nur abnorm dilatierte, sondern signifikant mehr Lymphgefäße [7]. Unser Fall eines BP mit klinischen und histologischen Zeichen der Anetodermie suggeriert eine gemeinsame Entität der beobachteten unspezifischen Veränderungen, das Pilomatrixom. Da sich in der Umgebung eines Pilomatrixoms eine Anetodermie entwickeln kann, ist es möglich, dass die beschriebenen Veränderungen miteinander assoziiert sind. Im Allgemeinen umfasst das Pilomatrixom ein breites Spektrum von Veränderungen mit multiplen Subtypen, wie z.B. kalzifizierenden, bullösen, anetodermen und perforierenden Varianten, wie dies auch unser vorliegender Fall illustriert: Initial dilatieren Lymphgefäße aufgrund einer mechanischen Obstruktion, dann rupturieren und konfluieren sie graduell und bilden eine größere Kavität mit bullösem Erscheinungsbild. In unserer Einrichtung sind die Kapazitäten für Untersuchungen wie eine Elastin- oder D2-40 Färbung nicht vorhanden. Eine maligne Transformation eines BP ist nicht beschrieben, und die chirurgische Exzision ist die Therapie der Wahl [8] .

Literatur
1 Julian CG, Bowers PW. A clinical review of 209 pilomatricoma . J Am Acad Dermatol 1998; 39 : 191 – 5.
2 Shames BS, Nassif A, Bailey CS et al. Secondary anetoderma involving a pilomatricoma. Am J Dermatopathol 1994 ; 16 : 557 – 60.
3 Inui S, Kanda R, Hata S. Pilomatricoma with a bullous appearance. J Dermatol 1997; 24 : 57 – 9.
4 Bhushan P, Hussain SN. Bullous pilomatricoma: A stage in transition to secondary anetoderma? Indian J Dermatol
Venereol Leprol 2012; 78 : 484 – 7.
5 Fetil E , Soyal MC, Menderes A et al. Bullous appearance of pilomatricoma. Dermatol Surg 2003; 29 : 1066 – 7.
6 Chen SY, Wu F, Qian Y et al. Pilomatricoma with bullous appearance: a case report and review of literature. Int J
Dermatol 2011; 50 : 615 – 8.
7 Li L, Zeng YP, Fang K et al. Anetodermic pilomatricoma: molecular characteristics and trauma in the development of its bullous appearance. Am J Dermatopathol 2012; 34 : e41 – 5.
8 De Souza EM, Ayres Vallarelli AF, Cintra ML et al. Anetodermic pilomatricoma. J Cutan Pathol 2009 ; 36 : 67 – 70.

 

<< zurück

Die Diagnosequzze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft