Diagnose

Lymphogranuloma-venereum (LGV)-Proktitis

Diskussion
Diagnostisch zielführend war eine positive Chlamydia-trachomatis-Polymerase-Kettenreaktion (PCR) (hyplex® STD Chlamydia, Amplex, Deutschland) sowohl aus Gewebe, als auch aus einem Wundabstrich [1–3]. Mittels einer major outer membrane protein (MOMP) Gen-basierten PCR konnte in der Folge der Genotyp L2c nachgewiesen werden. Dabei wurde nach Amplifikation des MOMP-Targets (Multiplex PCR Kit, Qiagen, Deutschland) eine Sequenzierungsreaktion (ABI-PRISM® 3130, Applied Biosystems, USA) mit anschließendem Datenbankabgleich durchgeführt. Die Chlamydia trachomatis Serotypen L1–L3 sind verantwortlich für LGV [3–6]. In der gegenwärtigen LGV-Epidemie in Europa und Nordamerika unter homosexuellen Männern (MSM; male sex with male) [3], bei der vorwiegend der Genotyp L2b nachweisbar ist [7], stellt das Rektum den häufigsten Infektionsort dar. Die Mehrzahl dieser Patienten zeigt eine HIV-Koinfektion bzw. Koinfektionen mit anderen bakteriellen STI und/oder dem Hepatitis-C-Virus.

Bei dem bei unseren Patienten nachgewiesenen Genotyp L2c handelt es sich um eine 2011 erstmals bei einem MSM mit einer schweren hämorrhagischen Proktitis nachgewiesene Rekombinante aus einem invasiven L2 und aus einem noninvasiven urogenitalen D-Stamm [8]. Klinisch entwickeln die Patienten im LGV-Stadium 1 nach einer Inkubationszeit von 3–30Tagen eine ulzerierende Papel an der Inokulationsstelle, die bei 58 % der Patienten nicht bemerkt wird und spontan abheilt. Bei rektaler Manifestation wie bei dem hier diskutierten Patienten können starke anorektale Schmerzen mit Blutungen, Tenesmen und Obstipation auftreten, sodass das Bild einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (insbesondere Morbus Crohn und Colitis ulcerosa) imitiert werden kann [4, 6]. Ferner sind extraintestinale Manifestationen wie eine reaktive Arthritis und Hepatitis beschrieben [9].

Im zweiten (Bubonen-)Stadium kommt es bei einer Primärläsion im Rektum zum Befall der perirektalen und paraaortalen Lymphknoten (LK), welcher klinisch – im Gegensatz zu einer genitalen Infektion (regionale LK im Unterschied zur Syphilis entzündlich fluktuierend und zur Perforation neigend) – schwer nachweisbar ist. Im Stadium 3 stellt die Erkrankung des Anorektums die schwerste Komplikation des LGV dar. Der Enddarm ist verdickt, infiltriert und im Lumen eingeengt, was bei dem hier vorgestellten Patienten zur Anlage eines Anus praeter führte. Später können sich Fisteln und Strikturen entwickeln.

Die Diagnosestellung erfolgt über DNA-Nukleinsäure- Amplifikationsmethoden aus Gewebe wie auch aus Abstrichen [1–3]. Serologisch können ein Anstieg der Chlamydia- trachomatis-spezifischen IgA-Antikörper über vier Titerstufen bzw. ein Titer >1 : 64 diagnostisch sein [2].
Serologische Kreuzreaktivitäten innerhalb der Gattung Chlamydia erschweren häufig die Spezieszuordnung. ELISA- Systeme sind hier – im Unterschied zur Mikroimmunfluoreszenz – besonders anfällig. Ohne klinischen Bezug wie im vorliegenden Fall erlaubt der serologische Befund keine Differenzierung zwischen einer Monoinfektion mit C. trachomatis bzw. C. pneumoniae oder einer Doppelinfektion. Die Histologie ist unspezifisch [5].

Die leitliniengerechte Therapie besteht in einer Gabe von Doxycyclin 2 × 100 mg/d über 21 Tage, in der Schwangerschaft Erythromycin 4 × 500 mg/d über 21 d [2],http://www.iusti.org/regions/europe/default.htm

Doxycyclin-resistente Erkrankungen sind beschrieben [10]. Asymptomatische Sexualpartner sollten mit Doxycyclin 2 × 100 mg/d über sieben Tage behandelt werden. Bei unserem Patienten kam es unter Doxycyclin 2 × 100 mg/d über sechs Wochen zu einem deutlichen Rückgang der entzündlichen Symptomatik und zum Sistieren von Juckreiz und Nässen, zwei Monate später konnte der Anus praeter komplikationslos rückverlegt werden.


Differenzialdiagnostisch umfassen die häufigsten Ursachen einer infektiösen Proktitis die Gonorrhö (30 %), Chlamydien- (19 %) und HSV-2-Infektionen (16 %) sowie die Syphilis (2 %). Koinfektionen sind häufig. Wie bei unserem Patienten kommt es häufig zu einer verzögerten Diagnose, da chronisch-entzündliche Darmerkrankungen zunächst erwogen werden. Die endoskopischen und auch die histopathologischen Befunde sind hierbei oft nicht diagnostisch. Hilfreich sind die Sexualanamnese, kürzliche Reiseaktivitäten sowie die oft starke perianale Sekretabsonderung. Ein Leitsymptom kann die perianale Ulzeration sein [11], die PCR aus dem Wundabstrich kann zur raschen Diagnosefindung beitragen.


Interessenkonflikt


Keiner.

Literatur
1 Markowicz M, Grilnberger E, Huber F et al. Case report: lymphogranuloma venereum proctitis-from rapid screening to molecular confirmation of a masked sexually transmitted disease. Diagn Microbiol Infect Dis 2013; 76(4): 516–7.
2 Vries HJ, Zingoni A, White JA, Ross JD, Kreuter A. 2013 European Guideline on the management of proctitis, proctocolitis and enteritis caused by sexually transmissible pathogens. Int J STD AIDS 2013; Dec 18. [Epub ahead of print].
3 v Krosigk A, Meyer T, Jordan S et al. Dramatic increase in lymphogranuloma venereum among homosexual men in Hamburg. J Dtsch Dermatol Ges 2004; 2(8): 676–80.
4 Lamb CA, Lamb EI, Mansfield JC, Sankar KN. Sexually transmitted infections manifesting as proctitis. Frontline Gastroenterol 2013; 4(1): 32–40.
5 Voltaggio L, Montgomery EA, Ali MA et al. Sex, lies, and gastrointestinal tract biopsies: a review of selected sexually transmitted proctocolitides. Adv Anat Pathol 2014; 21(2): 83–93.
6 Hoentjen F, Rubin DT. Infectious proctitis: when to suspect it is not inflammatory bowel disease. Dig Dis Sci 2012; 57(2): 269–73.
7 Peuchant O, Baldit C, Le Roy C et al. First case of Chlamydia trachomatis L2b proctitis in a woman. Clin Microbiol Infect 2011; 17(12): E21–3.
8 Somboonna N, Wan R, Ojcius DM et al. Hypervirulent Chlamydia trachomatis clinical strain is a recombinant between lymphogranuloma venereum (L(2)) and D lineages. MBio 2011; 2(3): e00045–11.
9 Vall-Mayans M, Caballero E, Sanz B. The emergence of lymphogranuloma venereum in Europe. Lancet 2009; 374(9686): 356.
10 Méchaï F, deBarbeyrac B, Aoun O et al. Doxycycline failure in lymphogranuloma venereum. Sex Transm Infect 2010; 86(4): 278–9.
11 Singhrao T, Higham E, French P. Lymphogranuloma venereum presenting as perianal ulceration: an emerging clinical presentation? Sex Transm Infect 2011; 87(2): 123–4.

 

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