Dermatologische Erkrankungen bei wohnungslosen Menschen

Dermatologische Erkrankungen bei wohnungslosen Menschen

Es ist kalt, dunkel, es regnet und es stürmt. Ich stehe an der Theke und schenke dutzende Becher Kaffee und Tee aus. Auch heute ist das „Frühstück im Winter“ trotz des schlechten Wetters sehr gut besucht.
Hier können wohnungslose und einkommensschwache Menschen an meinem Wohnort Heidelberg während der kalten Monate Kaffee und Essenstüten abholen. 
In Deutschland leben im Jahr 2020 laut Daten der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe geschätzt 417.000 Menschen ohne festen Wohnsitz (Jahresgesamtzahl) [Wegner, 2021]. Keinen festen Wohnsitz zu haben bedeutet eine Benachteiligung in zahlreichen Lebensbereichen. Dazu gehören eine erschwerte Jobsuche, gesellschaftliche Stigmatisierung oder ein schwieriger Zugang zum Gesundheitssystem. 
In diesem Artikel möchte ich darauf eingehen, wie die dermatologische Versorgung von Menschen ohne festen Wohnsitz aussieht. 
Bei meiner Recherche stieß ich auf zwei Studien der letzten Jahre. Die erste Veröffentlichung aus dem Jahr 2022 beschäftigt sich mit dem allgemeinen Gesundheitszustand von wohnungslosen Menschen in Deutschland. Zudem wurde im Frühjahr 2023 eine Studie aus Dänemark speziell zu dermatologischen Erkrankungen veröffentlicht. 

Wohnungslose Menschen in Deutschland leiden häufiger sowohl unter psychischen als auch körperlichen Erkrankungen 
In der erstgenannten, im Jahr 2022 von Team um Franziska Bertram am Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) veröffentlichten Studie [Bertram et al., 2022] wurden 651 wohnungslose Menschen aus Hamburg, Frankfurt, Leipzig und München eingeschlossen. Hierbei wurden Interviews geführt, klinische Befunde erhoben und Laborparameter analysiert. Es zeigte sich eine hohe Prävalenz von Lebererkrankungen und Lungenerkrankungen, sowie auch von kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen. Zudem gaben 23,1% der Befragten eine diagnostizierte psychische Erkrankung an. Nur 67,7% der Menschen waren krankenversichert. 

Deutliche Assoziation von Wohnungslosigkeit und dermatologischen Erkrankungen in dänischer Studie 
Das Team um Sandra Nilsson aus Kopenhagen untersuchte Daten aus dänischen Gesundheitsregistern aus den Jahren 1999-2018 [Nilsson et al., 2023]. Als wohnungslos galten alle Menschen mit Kontakt zu Obdachlosenunterkünften, was in den Registern auf gut 38.000 Menschen zutraf. Es zeigte sich, dass für wohnungslose Menschen ein mehr als zweifaches Risiko einer Hauterkrankung besteht (Adjusted Incidence Rate Ratio berechnet mit Poisson Regression). Die kumulative Wahrscheinlichkeit war hierbei am höchsten für Lausekrankungen, Erysipele, Impetigo und Mykosen. Interessanterweise zeigte sich jedoch auch ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Wohnungslosigkeit und einem geringeren Risiko für Hautkrebserkrankungen (Malignes Melanom, Neoplasien der Keratinoyzten, Aktinische Keratosen). 

Wo können Wohnungslose Hilfe finden? 
Die medizinische Versorgung wohnungsloser Menschen in Deutschland findet häufig außerhalb des klassischen Gesundheitssystems oder auch projektbezogen statt. In einer Veröffentlichung im Ärzteblatt von 2017 [Kaduszkiewicz et al., 2017] werden Organisationen wie der Deutsche Caritasverband, die Malteser, das Deutsche Rote Kreuz oder die Jenny de la Torre Stiftung in Berlin genannt. 
Hier können sich wohnungslose Menschen mit und ohne Krankenversicherung ärztlich vorstellen. Dass diese Angebote jedoch bei Weitem nicht ausreichen, zeigen unter anderem die beiden hier vorgestellten Studien. 
Hier in Heidelberg gibt es jedes Jahr das „Frühstück im Winter“, welches zumindest eine Mahlzeit am Tag für einkommensschwache Menschen anbietet. Aktionen wie das Frühstücksangebot können die Notlage und mangelnde Versorgung nicht lindern. Aber es zeigte mir deutlich, wie notwendig es ist, die Gesundheitsversorgung wohnungsloser Menschen mehr in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen und politischen Diskurses zu bringen. 

Zitationen: 

Wegner D: Steigende Zahl Wohnungloser im Wohnunglosensektor, Wohnunglosigkeit anerkannter Geflüchteter sinkt. In: e.V. BfW, (ed.) 2021;https://www.bagw.de/de/presse/show?tx_netnews_newsview%5Baction%5D=show&tx_netnews_newsview%5Bcontroller%5D=News&tx_netnews_newsview%5Bnews%5D=215&cHash=27c6924963ddf518fabd193bd1a14f56 

Sandra F Nilsson, Zarqa Ali, Thomas M Laursen, Jacob P Thyssen, Alexander  Egeberg, Merete Nordentoft, Carsten Hjorthøj, Simon F Thomsen, Association of homelessness and skin conditions: a Danish population-based cohort study, British Journal of Dermatology, Volume 188, Issue 6, June 2023, Pages 760–769, https://doi.org/10.1093/bjd/ljad040 

Bertram, Franziska; Hajek, André; Dost, Katharina; Graf, Wiebke; Brennecke, Anna; Kowalski, Veronika; van Rüth, Victoria; König, Hans-Helmut; Wulff, Birgit; Ondruschka, Benjamin; Püschel, Klaus; Heinrich, Fabian. Psychische und somatische Gesundheit von wohnungslosen Menschen - Evidenz aus dem National Survey on Psychiatric and Somatic Health of Homeless Individuals (NAPSHI-Studie), Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 861-8; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0357, https://www.aerzteblatt.de/archiv/228829/Psychische-und-somatische-Gesundheit-von-wohnungslosen-Menschen 

Kaduszkiewicz, Hanna; Bochon, Benjamin; van den Bussche, Hendrik; Hansmann-Wiest, Julia; van der Leeden, Carolin. Medizinische Versorgung von wohnungslosen Menschen, Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 673-9; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0673, https://www.aerzteblatt.de/archiv/193639/Medizinische-Versorgung-von-wohnungslosen-Menschen 

Bildquelle: https://www.publicdomainpictures.net/de/view-image.php?image=281422&picture=obdachlosigkeit-am-strand, CCO Public Domain, Autorin: Circe Denyer, Titel „Obdachlosigkeit am Strand“