Diagnose

Naproxen-induzierte Pseudoporphyrie

Weitere Diagnostik
In Proben von Sammelurin, Stuhl sowie Blutplasma der Patientin konnte keine pathologisch erhöhte Konzentration der Gesamtporphyrine gemessen werden. Das Routinelabor zeigte ebenfalls keine pathologischen Befunde. Insbesondere die Leber- und Cholestaseparameter (Leberenzyme, Albumin, direktes und gesamtes Bilirubin, Gamma-Glutamyltransferase, alkalische Phosphatase, Prokollagen-III-Peptid) zeigten sich normwertig. Eine Virushepatitis wurde serologisch ausgeschlossen. Zudem waren im Serum keine Antikörper blasenbildender Autoimmundermatosen nachzuweisen. Das mykologische Nativpräparat sowie die Kultur von Schuppenmaterial des linken Handrückens waren negativ. In einer Abdomensonographie fand sich eine unauffällige Darstellung der parenchymatösen Bauchorgane.
In der Lichttreppe hatte die Patientin nach 24 Stunden im UVB-Bereich (Gerät: Waldmann UVA 800; MED-Normalwert:0,1 ± 0,025 J/cm 2 ) ab 0,075 J/cm 2 bis 0,175 J/cm 2 mit einem Erythem und im UVA-Bereich (Gerät: Waldmann UV 800; MED-Normalwert größer als 20,0 J/cm 2 ) ab 10,0 J/cm 2 bis 20,0 J/cm 2 mit einer Pigmentierung reagiert. In der Sofortreaktion war in der UVA-Lichttreppe eine starke Rötung
ab 7,5 J/cm 2 bis 20,0 J/cm 2 und ab 17,5 J/cm 2 zusätzlich eine Quaddelbildung zu erkennen. Von einer erhöhten Lichtempfindlichkeit im UVB-Bereich sowie in der Sofortreaktion im UVA-Bereich war somit auszugehen.

Diskussion
Die Pseudoporphyrie [ 1 ] ist durch eine Blasenbildung an sonnenexponierten Hautarealen gekennzeichnet. Klinisch ist die seltene Erkrankung von einer Porphyria cutanea tarda (PCT) nicht zu unterscheiden. Nach Bagatellverletzungen kommt es zu Blasenbildung mit nachfolgenden Ulzera, Hyperkeratosen und Narbenbildung an den belichteten Hautbereichen. Charakteristisches differenzialdiagnostisches Kriterium sind die
in der Paraklinik – im Gegensatz zur PCT – normwertigen Porphyrinwerte im Patientenmaterial [ 2 ] . Nach Erkrankungen des Porphyrinstoffwechsels muss hinreichend gefahndet werden. Als Differenzialdiagnosen kamen ferner andere bullöse Autoimmundermatosen mit subepidermaler Blasenbildung, erregerbedingte Hauterkrankungen wie eine Mykose, eine virale Infektion oder bakterielle Ulzera, im Sinne von Ekthymata unter laufender Immunsuppression, in Betracht.
In der Histologie zeigt sich im frischen Stadium eine subepidermale Blasenbildung mit wenig lymphozytär-eosinophilem Entzündungsinfi ltrat, welches sich typischerweise perivaskulär befindet [ 3 ] . Die direkte Immunfluoreszenz kann sich in einigen Fällen in Form von IgG- und C3-Ablagerungen an der dermoepidermalen Junktionszone positiv zeigen. Wird die Biopsie nicht im Stadium einer Bulla entnommen, sind die
dermatohistologischen Veränderungen wie im geschilderten Fall unspezifi sch entzündlich und nicht diagnostisch. Milien können im Verlauf der Erkrankung als Korrelat epidermaler Hornmaterialeinschlüsse sowohl histologisch als auch makroskopisch auftreten und treten auch in Folge echter Porphyrien auf [ 3 ] . Der Nachweis von Milien in der dermatohistologischen Untersuchung lieferte insofern einen Hinweis auf
eine abgelaufene subepidermale Blasenbildung. Zu möglichen Auslösern einer Pseudoporphyrie gehören zahlreiche Medikamente,
unter anderem Tetrazykline, Diuretika, Dapson, Ciclosporin A und Retinoide. Der häufigste medikamentöse Auslöser ist jedoch Naproxen, ein Derivat der Propionsäure, welches zur Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika zählt [ 4, 5 ] . Unter Erwachsenen dominiert, wie auch in unserem Fall, das weibliche Geschlecht [ 6 ] . Bei Hämodialysepatienten ist die Erkrankung signifi kant häufi ger anzutreffen und wurde bereits 1975 beschrieben [ 7 ] . Da bei Patienten mit Niereninsuffizienz im Endstadium erhöhte Plasmaporphyrinwerte beschrieben wurden, ist die Pseudoporphyrie als eigene Entität bei dieser Patientengruppe umstritten [ 8 ] . Ein bekannter Auslöser der Pseudoporphyrie sind regelmäßige Solarienbesuche [ 9 ] . Therapeutisch ist konsequenter Lichtschutz (insbesondere gegenüber UVA) sowie eine intensive Pflege der Haut anzustreben. Liegt eine medikamentöse Ursache vor, sollte das verursachende Arzneimittel abgesetzt werden. Nach Absetzung können die Blasen sowie die Hautverletzlichkeit für einige Monate persistieren [ 1 ] . Bei Hämodialysepatienten gibt es positive Fallberichte über den Einsatz von N-Acetylcystein [ 10 ] . In unserem Fall wurde die antiphlogistische Medikation von Naproxen auf Ibuprofen umgestellt und die Patientin zur Verlaufskontrolle einbestellt.
Drei Monate nach Absetzen von Naproxen zeigten sich keine neuen Ulzera an den lichtexponierten Hautarealen. Die Patientin beklagte jedoch weiterhin eine subjektive Lichtempfindlichkeit des Gesichts. In einer Wiederholung der diagnostischen Lichttreppe vier Monate später konnte eine erhöhte Lichtempfindlichkeit nicht bestätigt werden. Da klinisch das Bild einer Porphyrie vorliegt, ist die Naproxen-verursachte
Lichtempfindlichkeit nomenklatorisch der Pseudoporphyrie zuzuordnen. Der exakte Pathomechanismus bleibt unklar. Diskutiert wird unter anderem eine phototoxische Reaktion vermittelt über eine Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies [ 11 ] .
Anzumerken ist, dass die vorhandene Fachliteratur zur Pseudoporphyrie insgesamt von Fallberichten dominiert wird, während größere Fallserien oder kontrollierte Studien fehlen. Wünschenswert wären multizentrische Studien mit standardisierten Bestimmungsmethoden der Porphyrine, die aber aufgrund der Seltenheit der Erkrankung kaum realisierbar sind. Zusammenfassend sollte der Dermatologe beim Vorliegen von Blasen, Hautverletzlichkeit und Hypertrichose in lichtexponierten Arealen an das Vorliegen einer Porphyrie denken. Bei fehlendem Nachweis einer Erhöhung der Porphyrine sollte eine Pseudoporphyrie in Betracht gezogen und eine Medikamentenanamnese erhoben werden.

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Girschick HJ , Hamm H , Ganser G , Huppertz HI . Naproxeninduced
pseudoporphyria: appearance of new skin lesions
after discontinuation of treatment . Scand J Rheumatol 1995 ;
24 : 108 – 11 .
2 Ramsay CA. Drug induced pseudoporphyria . J Rheumatol
1991 ; 18 : 799 – 800 .
3 Maynard B , Peters MS . Histologic and immunofluorescence
study of cutaneous porphyrias . J Cutan Pathol 1992 ; 19 : 40 – 7 .
4 Meggitt SJ , Farr PM . Pseudoporphyria and propionic acid nonsteroidal
anti-inflammatory drugs . Br J Dermatol 1999 ; 141 :
591 – 2 .
5 Green JJ , Manders SM . Pseudoporphyria . J Am Acad Dermatol
2001 ; 44 : 100 – 8 .
6 Creemers MC , Chang A , Franssen MJ et al. Pseudoporphyria
due to naproxen. A cluster of 3 cases . Scand J Rheumatol 1995 ;
24 : 185 – 7 .
7 Korting GW. [Porphyria cutanea tarda-like aspects in
two prolonged hemodialysis patients (author’s transl)] .
Dermatologica 1975 ; 150 : 58 – 61 .
8 Mamet R , Gafter U , Korzets A , Schoenfeld N . Decreased
uroporphyrinogen decarboxylase activity in patients with
end-stage renal disease undergoing hemodialysis . Nephron
1995 ; 70 : 202 – 6 .
9 Murphy GM , Wright J , Nicholls DS et al. Sunbed-induced
pseudoporphyria . Br J Dermatol 1989 ; 120 : 555 – 62 .
10 Guiotoku MM , Pereira Fde P , Miot HA , Marques ME .
Pseudoporphyria induced by dialysis treated with oral Nacetylcysteine
. An Bras Dermatol 2011 ; 86 : 383 – 5 .
11 Levy ML , Barron KS , Eichenfield A , Honig PJ . Naproxeninduced
pseudoporphyria: a distinctive photodermatitis .
J Pediatr 1990 ; 117 : 660 – 4 .

 

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