Dermatopathologie: Interview mit Dr. med. Layla Brocatti

In diesem Blog-Beitrag möchte ich euch das Teilgebiet der Dermatopathologie und die engagierte Fachärztin für Dermatologie und Dermatopathologin Dr. med. Layla Brocatti vorstellen. Ich gehe mit Dr. Brocatti der Dermatopathologie auf den Grund und kläre wichtige Fragen, die im klinischen Alltag relevant sind.

Frage: Liebe Layla, zunächst einmal vielen Dank, dass ich dich zum Thema Pathologie in der Dermatologie interviewen darf. Wie kamst du zur Dermatopathologie?

Dr. Brocatti: Ich bin wie die meisten Dermatologen per Zufall an die Dermatopathologie gekommen. Ich war als Assistenzärztin im Dermatologikum in Hamburg tätig, dort hatten wir zwei Mal pro Woche Histologie-Unterricht und es gab auch Stipendien für Auslandsstudenten und Forschungsaufenthalte. Im Dermatologikum wurde mein Interesse an der Histologie geweckt.

Frage: Wie lange dauert die Zusatz-Weiterbildung Dermatopathologie?

Dr. Brocatti: 24 Monate, Voraussetzung ist die Facharztanerkennung für Haut- und Geschlechtskrankheiten.

Frage: Was gefällt dir an der Histologie bzw. was ist besonders spannend in diesem Gebiet?

Dr. Brocatti: Die Selektion der Fälle macht den Reiz aus. Als Dermatopathologe werden einem fast nur interessante Fälle geschickt, kein Kliniker schickt Biopsien einer Akne oder klassischen Psoriasis. So sieht man als Dermatopathologe viel mehr seltene Krankheiten als die Kliniker und kann sich damit auseinandersetzen.

Frage: Stimmt, kein Kliniker würde von Läsionen, die einer benignen Blickdiagnose entsprechen, eine Probebiopsie machen. Falls zur Abklärung doch eine Biopsie nötig ist, was sollte man bei der Entnahme von Probebiopsien beachten, sodass der Dermatopathologe die Biopsie optimal auswerten kann?

Dr. Brocatti: Man sollte bei Läsionen ohne epidermale Beteiligung, die tief liegen (z.B. Erythema nodosum oder Morphea) eine kleine Spindelexzision oder große Stanzbiopsie machen, damit sichergestellt ist, dass genügend Fettgewebe erfasst ist.  Bei manchen Läsionen benötigt man den Übergang von „gesunder“ bzw. periläsionaler Haut in das Zentrum, so z.B. beim Ulcus oder bullösen Dermatosen. Hier sind die typischen histopathologischen Veränderungen in der Erosion/Wunde überlagert bzw. nicht mehr eindeutig durch das Fehlen der Epidermis zu erkennen. Jedoch sind in der periläsionalen Haut die Veränderungen der Krankheit sichtbar, um die es geht. Um bei bullösen Dermatosen zu sehen, in welcher Höhe die Blase entstanden ist, benötigt man den Übergang der Epidermis in die Blase bzw. Wunde.

Frage: Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum bei bullösen Dermatosen die Biopsie für die Immunfluoreszenz aus periläsionaler Haut entnommen werden muss. In der Erosion bzw. Wunde sind die Antigene ja nicht mehr nachweisbar, oder?

Dr. Brocatti: Ja genau. Die Antikörper können nicht binden, da das Antigen dort nicht mehr vorhanden ist. Periläsional ist die Epidermis intakt und somit die Bindung der Antikörper möglich.

Frage: Außerdem ist es auch wichtig, keine Quetschungen des Präparats z.B. durch die Pinzette auszuführen und für die Lokalanästhesie eine Einstichstelle außerhalb des Biopsats zu wählen, um Artefakte zu vermeiden?

Dr. Brocatti: Es ist sehr wichtig, Artefakte zu minimieren. Wir haben in den Präparaten immer Artefakte, z.B. sehr oft Blasen. Ich kann allerdings ja nicht bei jedem Präparat mit einer Blase eine bullöse Dermatose diagnostizieren. Die Unterscheidung „was ist das Pathologische“ und „was ist Artefakt“ ist unser täglich Brot.

Frage: Von welcher Stelle sollte man eine Probebiopsie entnehmen?

Dr. Brocatti: Das hängt natürlich von Lokalisation und Verdachtsdiagnose ab. Allgemein ist zu sagen, dass man frische Läsionen biopsieren sollte, da das Entzündungsinfiltrat für unsere Diagnostik wichtig ist. Auch eine bestehende Schuppung ist entscheidend für die Diagnosestellung. Es gibt in der Histologie den Grundsatz der „Life of lesion“. Das bedeutet, dass man Erkrankungen in verschiedenen Stadien erkennen muss, z.B. beim Herpes zoster, Ekzem oder Lichen sklerosus. Je nach Stadium gibt es jeweils auch verschiedene Differentialdiagnosen.

Frage: Um die Diagnose bzw. die Differentialdiagnosen entzündlicher Effloreszenzen festzulegen, gibt es in der Histologie verschiedene Pattern. Nach welchem Schema gehst du vor bzw. wie legst du dich fest?

Dr. Brocatti: Es gibt die Pattern-Analyse nach Ackerman, d.h. eine Musteranalyse. Ich sehe ein Muster im Präparat und beschriebe dieses. Ein Merkspruch in der Histologie lautet: Dermatopathologen machen keine Diagnosen, sondern nur einen Bericht. Tatsächlich kann man durch die Muster oft keine Diagnose festlegen, sondern verschiedene Differentialdiagnosen. Der Kliniker muss diese dann in Korrelation zum klinischen Befund einordnen. So passt zum Muster „Spongiose“ ein atopisches Ekzem, ein allergisches Ekzem, eine Id-Reaktion, eine Kontaktdermatitis oder nummuläres Ekzem. Es gibt weitere Pattern wie die Interface-Dermatitis, fibrosierende und bullöse Muster und die superfizielle, perivaskuläre/interstitielle Dermatitis, das mit 90% am häufigsten auftretende Muster bei den entzündlichen Dermatosen.

Frage: Welche Diagnosen sind am häufigsten in deiner täglichen Arbeit?

Dr. Brocatti: Der gutartige Nävus, das Basalzellkarzinom und natürlich viele durch kosmetische Entfernungen entstehende Einsendungen wie die seborrhoischen Keratosen und Fibrome.

Frage: Die Infos auf dem Einsendeschein der Histologie sind für euch Dermatopathologen besonders relevant, da ihr kein klinisches Bild der Patienten habt. Was sollte man beim Ausfüllen des Histoscheins beachten?

Dr. Brocatti: Ja, es ist sehr wichtig, da die Angaben auf dem Histoschein unser Bild im Kopf beeinflussen. Daher ist es von Vorteil, entweder Differentialdiagnosen zu benennen, bei denen die Morphologie und Lokalisation durch die Diagnose an sich schon klar ist, oder eine Befundbeschreibung. Wenn man sich gerade als Anfänger oder Weiterbildungsassistent unsicher ist, schreibt man besser eine Befundbeschreibung mit Angabe zu Lokalisation, Verteilung, Morphologie und ob die Läsion monomorph oder polymorph ist. Auch die Angabe multipel oder solitär hilft uns Dermatopathologen oft immens weiter. So ist eine fibröse Nasenpapel histologisch ein Angiofibrom. Wenn multiple Läsionen beispielsweise nasolabial vorhanden sind, ist die Diagnose eine andere und hat eine andere Relevanz. Das Angiofibrom heißt dann Adenoma sebaceum und kann im Rahmen einer tuberösen Sklerose auftreten. Unter dem Mikroskop sieht man jeweils nur das Angiofibrom. Der Hinweis des Klinikers „multipel“ verändert die Diagnose. Bei Verdacht auf maligne Läsionen ist natürlich die Angabe der Lokalisation der Fadenmarkierung entscheidend.

Frage: Super, somit hoffe ich, dass in Zukunft nur noch gut ausgefüllte Histoscheine an die Dermatopathologen geschickt werden und wir zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Klinikern und Dermatopathologen beitragen konnten. Eine letzte Frage habe ich noch: Kannst du die Dermatopathologie als Spezialgebiet empfehlen?

Dr. Brocatti: Ja sehr! Ich habe eine große Leidenschaft für die Fälle und habe es nie bereut, in die Dermatopathologie gegangen zu sein. Es ist sehr anspruchsvoll, aber spannend. Es besteht aus viel Detektivarbeit, man muss manchmal nochmal nachlesen oder sich mit Kollegen beraten und es wird nie langweilig. Gleichzeitig muss man gewappnet sein, wenn etwas banal erscheint und doch etwas anderes ist. Ein gutes Beispiel dafür ist der dermale Nävus, den man sehr oft sieht, und das seltene nävoide Melanom, das man unter Tausenden dermalen Nävi herausfischen muss. Ein weiterer Vorteil ist, dass man sich die Arbeit einteilen kann und in Zukunft mit der digitalen Pathologie sogar die Möglichkeit besteht, von Zuhause aus zu arbeiten. Ich freue mich, wenn ich mit diesem Interview einige Jungärzte von der Dermatopathologie überzeugen konnte!

Vielen herzlichen Dank für das tolle Interview und die aufschlussreichen Infos, die sicher bei vielen Weiterbildungsassistenten das Interesse an der Dermatopathologie geweckt haben und uns allen im klinischen Alltag weiterhelfen werden! Es lohnt sich definitiv, sich auch als Kliniker ein gewisses Verständnis für die Dermatopathologie anzueignen. Denn man sagt, die Königsklasse bestünde darin, als Dermatologe wie ein Histologe zu denken und als Histologe wie ein Kliniker zu denken - dann ist man unschlagbar. Wer Interesse an der Dermatopathologie-Weiterbildung hat, kann sich an die „Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Histologie (ADH)“ wenden. Die Dermatopathologie braucht Nachwuchs – also schnuppert doch mal in ein Histologielabor rein und macht euch euer eigenes Bild!

Eure Katharina

Kommentare

Keine Kommentare