Traditionelle Chinesische Medizin und Dermatologie
Ich freue mich euch heute den ersten Beitrag zum Thema „Dermatologie so bunt wie ein Blumenstrauß - was gibt es für besondere dermatologische Schwerpunktpraxen“ vorzustellen. Hierfür habe ich ein sehr interessantes Interview mit Dr. May Sian Oei geführt, die eine Praxis für Dermatologie und Traditionelle Chinesische Medizin in Hamburg führt. Viel Spaß beim Lesen!
"Glücklicherweise konnte ich meine Ausbildung in der Traditionellen Chinesischen Medizin schon während der Assistenzarztzeit beginnen. So hatte ich genügend Zeit, um das Erlernte anzuwenden und dabei Erfahrungen zu sammeln. Viel habe ich zunächst an mir selbst ausprobiert, so z.B. das Setzen und Anwenden von Akupunkturnadeln, aber auch die Wirkung von chinesischen Heilkräutern.“
Dank ihres damaligen Oberarztes und inzwischen Chefarztes Dr. Andreas Kleinheinz im Elbeklinikum Buxtehude wurde Dr. Oei ermöglicht, eine Ambulanz für Traditionelle Chinesische Medizin aufzubauen und ihre Erfahrungen bei einem Auslandsaufenthalt in China zu erweitern.
Sie musste sich auch kritischen Fragen stellen: „Mein Eindruck war, dass ich oft von Vielen etwas belächelt wurde. Während meine Kollegen dermatologische Fälle vorstellten, hielt ich immer gerne Vorträge über den ganzheitlichen Ansatz der Traditionellen Chinesischen Medizin“. Familiäre Berührungspunkte zur Traditionellen Chinesischen Medizin lagen dabei einige Generationen zurück. Ihre Eltern, die klassisch westliche Medizin betreiben, seien zunächst überrascht gewesen, als sie sich entschied, medizinisch zurück zu den Wurzeln zu gehen. Nach der Facharztprüfung arbeitete Frau Dr. Oei sowohl in einer klassischen dermatologischen Praxis, als auch einer Praxis für Traditionelle Chinesische Medizin. Dies habe ihr Bedürfnis bekräftigt beides zu verbinden und eine Praxis für Dermatologie und Traditionelle Chinesische Medizin zu gründen: „Schnell habe ich bemerkt, dass die TCM sehr gut mit der Dermatologie zusammen passt, gerade da, wo die Behandlungsmöglichkeiten der Schulmedizin an ihre Grenzen stoßen oder gar ausgeschöpft sind. Das klinische Erscheinungsbild und der individuelle Konstitutionstyp spielen eine wichtige Rolle in der Auswahl der Therapie. So wird nicht nur das Symptom sondern der Patient ganzheitlich behandelt. Dies ist besonders schön, weil das Ergebnis lange anhält, da die Ursache behandelt wurde.“
Gerne behandelt sie alle Arten von Schuppenflechte mit der Traditionellen Chinesischen Medizin. Hier ließen sich vor allem mit Kräutern schnell sichtbare Erfolge erzielen, dabei sei aber nicht jede Schuppenflechte gleich zu behandeln. Auch eignen sich Akne, Neurodermitis, Nesselsucht, Pilzerkrankungen und Allergien gut zur Behandlung mittels Traditioneller Chinesischer Medizin. Hier spiele die Ernährung eine wichtige Rolle. Im Prinzip können mit der TCM unterschiedlichste Indikationen verschiedenster Fachbereiche behandelt werden: Akute Schmerzbehandlungen, psychosomatische Krankheitsbilder, Kinderwunsch- Behandlungen, Schwangerschaftsbegleitung, aber auch Kinder werden mit der japanischen Akupunktur- Shonishin therapiert. Generelle Nebenwirkungen im onkologischen Bereich, wie Appetitlosigkeit, Fatigue- Syndrom und Schmerzen können mit der TCM durch Akupunktur und Heilkräuter gelindert werden.
Viele Patienten haben schon eine Odyssee an Arztbesuchen hinter sich, bevor sie sich als letzte Chance bei Dr. Oei vorstellen: „Dies ist eine große Herausforderung, macht aber auch besonders viel Spaß.“ Systemtherapeutika benötige Dr. Oei fast nie, mit dem großen Vorteil keine Nebenwirkungen zu haben.
Auch wenn die Traditionelle Chinesische Medizin den Großteil ihrer Behandlungen ausmache, greife sie in bestimmten Situationen auf die Schulmedizin zurück: „Ein Patient mit einem akuten Erysipel überweise ich auch zur i.v. Antibiose in die Klinik oder ein Herpes Zoster wird mit Aciclovir behandelt. Hieraus ergeben sich in der Folge wieder Ansätze zur Weiterbehandlung mit der Traditionellen Chinesischen Medizin, z.B. zur Wiederherstellung der Darmflora nach antibiotischer Therapie oder die Behandlung von Neuralgien beim Herpes Zoster funktionieren ebenfalls gut. Einige Erkrankungen treten bei bestimmten Typen vermehrt auf, so gibt es Menschen mit „feuchter Hitze“, die zu Pilzinfektionen oder Warzen neigen. Diese Patienten müssen aus der feuchten Hitze heraus kommen, damit sie nicht ihr Leben lang diese Krankheiten entwickeln“.
An Ästhetik fehlt es ebenfalls nicht in der Praxis von Dr. Oei, so biete sie eine spezielle Anti-Aging-Akupunktur an. Doch hier gelte ebenfalls der ganzheitliche Ansatz: „Es funktioniert nicht, wenn die Haut nur oberflächlich behandelt wird, man muss an die Wurzel ran gehen.“
Hautkrebsvorsorge, Befundkontrollen, wie auch kleine Operationen werden auch durchgeführt, so dass ihr Berufsalltag nie langweilig werde.
Frau Dr. Oei freut sich, mit den wenigen Ärzten die in Deutschland Traditionelle Chinesische Medizin und Dermatologie praktizieren gut vernetzt zu sein und sich in Qualitätszirkeln oder bei schwierigen Fällen auszutauschen. Das geschieht unter anderem auf Kongressen, Fortbildungen und Webinaren, die international organisiert werden und dabei andere Fachbereiche ebenfalls abdecken.
Wer Interesse hat, in die Traditionelle Chinesische Medizin hinein zu schnuppern, für den empfiehlt Dr. Oei den internationalen TCM Kongress in Rothenburg ob der Tauber der jedes Jahr im Mai stattfindet. Die Ausbildung in Traditioneller Chinesischer Medizin wird von verschiedenen Institutionen angeboten. Mittlerweile gibt es sogar Master-Studiengänge, die über einige Universitäten angeboten werden. Dr. Oei hat ihre Ausbildung am Institut Societas Medicinae Sinesis (SMS), der AGTCM und bei international renommierten TCM- Therapeuten absolviert: „Dies war auch während der Assistenzarztzeit gut möglich, da hier Wochenendkurse angeboten wurden.“
Dr. Oei freue sich, wenn sich junge Dermatologen für die Traditionelle Chinesische Medizin interessieren: „Ich habe eine Privatarztpraxis für Dermatologie und Traditionelle Chinesische Medizin gegründet und wusste anfangs nicht, ob das so, wie ich es mir vorgestellt habe, angenommen werden würde. Ich schätze mich sehr glücklich und bin sehr dankbar, dass es aber genau so eingetroffen ist und ich dies jetzt so umsetzen kann, wofür ich brenne- die Dermatologie und den ganzheitlichen Ansatz aus der TCM zu vereinbaren. In meiner Praxis nehme ich mir ausreichend Zeit für meine Patienten und bekomme etwas von ihrem Leben mit und begleite sie für einen gewissen Zeitraum. Vielen hilft es schon ungemein, dass ich mich hinsetze und Ihnen zu höre, was heute in unserer schnelllebigen Zeit oft zu kurz kommt“.
Ich hoffe ihr seid genauso begeistert wie ich von dem Interview, das uns zeigt wie vielfältig unser schönes Fach der Dermatologie ist und welch` viele Möglichkeiten es gibt sich zu entfalten.
Eure Frederieke