Meisterinnen und Meister der Hauterkrankungen

Die Geschichte der Dermatologie ist eine Reise durch die Jahrhunderte, geprägt von bedeutenden Persönlichkeiten und historischen Ereignissen, die das Verständnis und die Behandlung von Hauterkrankungen veränderten. Von den frühen Pionieren der Antike bis hin zur heutigen Zeit hat sich dieses medizinische Fach stetig weiterentwickelt und ist zu einem integralen Bestandteil der modernen Gesundheitsversorgung geworden. 

 

 

Frühe Pioniere: Galen, Hippokrates, Agnodike und Samithra 

Schon in der Antike erkannten die Menschen die Bedeutung einer gründlichen Hautpflege. Hippokrates, ein Vorreiter der ganzheitlichen Medizin, betonte die enge Verbindung zwischen körperlicher und geistiger Gesundheit, einschließlich der Haut. Galen, ein weiterer bedeutender Arzt der Antike, entwickelte die Humoralpathologie, eine medizinische Theorie, die bis ins 17. Jahrhundert großen Einfluss auf das Verständnis von Krankheiten hatte. Interessanterweise finden sich auch Quellen, die auf bemerkenswerte Ärztinnen hinweisen, wie Agnodike, die sich als Mann verkleidete, um als Ärztin zu praktizieren, und Samithra, die in einem Artikel als erste bekannte Dermatologin der Geschichte beschrieben wird. 

Frühes Christentum und Mittelalter: Rückschritt in Europa, Fortschritt in der arabischen Welt (Avicenna) 

Während in Europa Hautkrankheiten in christlich-jüdischer Tradition mit Unreinheit und Sünde in Verbindung gebracht wurden, setzte die arabische Welt die griechisch-hellenistische Tradition der Medizin fort. Ein herausragender Arzt dieser Zeit war Avicenna, auch bekannt als Abu Ali Ibn Sina, dessen Werk "Kanon der Medizin" auch im damaligen Europa gelesen und geschätzt wurde. 

Frühe Neuzeit und Industrialisierung: Zunahme von STDs und Aufstieg der Dermatologie 

Die Frühe Neuzeit und die Industrialisierung markierten einen Wendepunkt in der Geschichte der Dermatologie, da sie mit einem Anstieg sexuell übertragbarer Krankheiten und einer Entwicklung des Fachbereichs einhergingen. Im 16. Jahrhundert nahmen durch Reisetätigkeiten sexuell übertragbare Erkrankungen stark zu, was die Bedeutung der Dermatologie als eigenständiges Fachgebiet unterstrich.  

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war die klinische Medizin hauptsächlich in die Bereiche der Inneren Medizin und der Chirurgie unterteilt. Während der industriellen Revolution entwickelte sich dann die Dermatologie, wie wir sie heute kennen. Sie widmete sich zunächst verstärkt der Behandlung von Soldaten, die unter den Bedingungen von Kriegen und militärischen Konflikten an Hauterkrankungen litten. Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 beschleunigte das Wachstum der Dermatologie durch die Rückkehr von Armeeangehörigen mit Geschlechtskrankheiten. Auch die Ausbreitung von Krätze und anderen Hautinfektionen unter Fabrikarbeitern erforderten eine spezialisierte medizinische Versorgung. 

Die ersten Fachabteilungen für syphilitische Krankheiten entstanden, gefolgt von der Gründung der ersten Universitätshautkliniken ab ca. 1850, und später auch städtischer Hautkliniken. Ab etwa 1870 entstanden Hautarztpraxen, zuerst in den Städten und dann auch auf dem Land.  

Wegbereiter der modernen Dermatologie waren Persönlichkeiten wie Ferdinand von Hebra, der Ende des 18. Jahrhunderts einen Katalog der Hautkrankheiten erstellte. Als eines der ersten Lehrbücher der Dermatologie gilt auch der "Atlas of Skin Diseases" von Louis Adolphus Duhring, der 1877 veröffentlicht wurde. Die Gründung der Berliner Dermatologischen Gesellschaft im Jahr 1886 und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) im Jahr 1889 markierten wichtige Meilensteine in der Entwicklung des Fachbereichs. Ein weiteres bedeutendes Ereignis war der Internationale Dermatologen-Kongress im Jahr 1904 in Berlin, der die internationale Zusammenarbeit und den Austausch von Wissen förderte. 

Um 1900: Entwicklung der modernen Dermatologie 

Um 1900 erlebte die Dermatologie einen bedeutenden Aufschwung. Es war eine Zeit intensiver Forschung und Entdeckungen auf verschiedenen Gebieten, darunter die Entwicklung der Histologie mit Serienschnitten, die die Grundlage für Verlaufsbiopsien legte. Gleichzeitig schritt auch die Forschung zu Parasitologie, Bakteriologie und Mykologie voran, was zu einem tieferen Verständnis von Hauterkrankungen führte. Eine herausragende Persönlichkeit dieser Zeit war Paul Gerson Unna, der in seiner Doktorarbeit bahnbrechende Ideen zur Histologie und Entwicklungsgeschichte der Epidermis veröffentlichte. Der Erste Weltkrieg brachte neue Herausforderungen mit sich, darunter die Verbreitung von Psoriasis unter den Soldaten. Diese Zeit führte u.a. zur Entwicklung von Cignolin im Jahr 1916. 

Zeit der „namensgebenden“ Dermatologen 

Es war auch die Zeit, in der wichtige Phänomene und Erkrankungen nach dem Namen des Entdeckers benannt wurden. Bekannte Beispiele sind: 

- Heinrich Köbner (Namensgeber des isomorphen Reizeffektes, Berlin) 

- Albert Neisser (Namensgeber des Bakteriums Neisseria gonorrhoeae, Breslau, involviert in einen der ersten deutschen Medizinskandale, in dem Krankenhauspatienten mit Syphilis infiziert wurden) 

- Curt Rosenthal (Namensgeber des Melkersson-Rosenthal-Szndroms, Breslau) 

- Abraham Buschke (Namensgeber des Buschke-Löwenstein-Tumors, Berlin), verschleppt ins KZ Theresienstadt 

- Alfred Blaschko (Namensgeber der Blaschkolinien, Berlin) 

- Karl Herxheimer (Namensgeber der Jarisch-Herxheimer-Reaktion, Frankfurt), ermordet im KZ Theresienstadt 

- Ferdinand Jean Darier (Namensgeber des Darier-Zeichens, des Morbus Dariers und der Darier-Bowen-Krankheit=M.Bowen, Paris)  

- Moritz Kaposi (Namensgeber des Kaposi-Sarkoms, Wien) 

- Carl Heinrich Auspitz (Namensgeber des Auspitz-Phänomens, Wien) 

… und viele weitere. 

Die Zeit des Nationalsozialismus: Wandel des Fachs und der Ärzteschaft 

Während des Zweiten Weltkriegs und der Zeit davor erlitt die dermatologische Gemeinschaft schwere Verluste durch die Emigration und Verfolgung jüdischer Fachkolleginnen und -kollegen sowie durch die Isolation während des Krieges. Im Jahr 1938 erlosch die Approbation aller jüdischen Ärztinnen und Ärzte, was zu einer massiven Einschränkung ihrer beruflichen Möglichkeiten führte. Viele bekannte Dermatologen wie Karl Herxheimer (Jarisch-Herxheimer-Reaktion) und Abraham Buschke (Buschke-Löwenstein-Tumor, Buschke-Hitzemelanose und weitere) fielen den grausamen Umständen zum Opfer, welche beide direkt oder indirekt im KZ Theresienstadt ermordet wurden. Zudem wird von Suiziden jüdischer Dermatologinnen und Dermatologen berichtet, die dem Klima der Angst nicht länger standhalten konnten/wollten. Die Anzahl der dermatologischen Fachartikel und die Anzahl der Dermatologen nahmen bis zum Jahr 1945 kontinuierlich ab, da viele vertrieben oder ermordet wurden. Ein weiteres Beispiel für die Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Dermatologinnen und Dermatologen ist Berta Ottenstein, die erste Frau, die in Deutschland im Fach Dermatologie habilitiert wurde und damit die erste Dozentin für Dermatologie war. Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung wurde sie jedoch „beurlaubt“ und emigrierte in die USA. Ihr Name lebt weiter im Frauenförderpreis der Universität Freiburg, der ihr zu Ehren benannt wurde. 

Fazit:  

Diese Reise durch die dermatologische Geschichte verdeutlicht die wichtige Rolle dieses Fachgebiets bei der Pflege und Behandlung unserer größten Schutzhülle - der Haut. Die Dermatologie hat eine lange Geschichte, die von herausragenden Persönlichkeiten, wegweisenden Entdeckungen und kontinuierlichem Fortschritt geprägt ist. Als ein dynamisches Fachgebiet hat sie sich von den Pionierleistungen der Antike bis hin zu modernsten Innovationen und Therapien entwickelt.  

Es ist anzumerken, dass dieser Artikel einen eher deutsch- und eurozentrischen Fokus hat. Es gibt sicherlich weitere wichtige Beiträge und Persönlichkeiten aus anderen Regionen, die ebenfalls einen bedeutenden Einfluss auf die Dermatologie hatten. 

 

Quellen: 

Albrecht Scholz: Geschichte der Dermatologie in Deutschland, Springer, 1999 

Prof E.G. Jung: 100 Jahre Dermatologie in Deutschland, https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-2004-825977.pdf, abgerufen am 2. Mai 2024 

Prof. C. E. Orfanos: Die Haut in der Medizin – Ein historischer Rückblick, https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0031-1291552.pdf, abgerufen am 2. Mai 2024 

https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gerson_Unna, abgerufen am 3. Mai 2024