Künstliche Intelligenz – Eine Einführung für Dermatologinnen und Dermatologen
11. April 2025
Die jüngsten Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz (KI) haben das Interesse an ihrem Einsatz in der Medizin erheblich gesteigert – von der Interpretation medizinischer Bilder über die Analyse von Textdaten bis hin zu multimodalen Modellen, die Bild- und Textinformationen kombinieren. Die Dermatologie, mit ihrem visuell geprägten Diagnoseprozess und der zunehmenden Verfügbarkeit klinischer Bild- und Falldaten, stellt ein besonders geeignetes Anwendungsfeld für KI-gestützte Systeme dar.
Was ist „KI“ und wird sie uns vernichten?

Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet die Fähigkeit eines Computersystems, menschliche kognitive Funktionen nachzuahmen. Die Geschichte der KI reicht bis in die 1950er-Jahre zurück, als die ersten Programme entwickelt wurden, die einfache logische Probleme lösen konnten (2). KI-Algorithmen sind also eigentlich gar nicht so neu. Seitdem haben insbesondere Fortschritte im Bereich des maschinellen Lernens, insbesondere durch die Einführung neuronaler Netzwerke und Deep Learning, die Entwicklung von KI-Modellen vorangetrieben.
Zu den wichtigsten Teilbereichen gehören maschinelles Lernen (ML), natürliche Sprachverarbeitung (NLP) und Deep Learning (DL). Maschinelles Lernen ist eine Methode, bei der Algorithmen auf Basis von Daten lernen, Muster zu erkennen und Vorhersagen zu treffen, ohne explizit programmiert zu werden. Besonders im Bereich der Dermatologie finden ML-Modelle Anwendung, etwa bei der Erkennung von Melanomen auf klinischen Bildern oder der Vorhersage der Wirksamkeit von Biologika z.B. in der Psoriasis-Therapie.
Innerhalb des maschinellen Lernens lassen sich drei Hauptklassen von Algorithmen unterscheiden: überwachtes Lernen, unüberwachtes Lernen und Reinforcement-Learning (etwa: bestärkendes Lernen). Beim überwachten Lernen werden die Modelle auf Basis eines gekennzeichneten Datensatzes trainiert, sodass sie die richtige Zuordnung von Eingaben zu Ausgaben erlernen. Die meisten Bildanalyse-Modelle in der Dermatologie beruhen auf dieser Methode. Unüberwachtes Lernen hingegen erfolgt auf nicht gekennzeichneten Datensätzen. Die Algorithmen erkennen dabei eigenständig Muster und Ähnlichkeiten, beispielsweise durch die Clusterbildung von Datenpunkten. Bestärkendes Lernen basiert auf Rückkopplungsschleifen: Ein (sogenannter) Agent interagiert mit einer Umgebung und erhält Belohnungen oder Strafen basierend auf seinen Handlungen, wodurch er/sie sein Verhalten optimiert.

Ein zentrales Konzept innerhalb der KI ist die Unterscheidung zwischen starker und schwacher KI. Schwache KI bezeichnet Systeme, die auf spezifische Aufgaben spezialisiert sind, wie die Diagnose von Hautkrebs auf Basis von Bilddaten. Starke KI hingegen würde ein menschenähnliches Verständnis und Bewusstsein erfordern – ein Ziel, das bisher (noch) nicht erreicht wurde und vielleicht auch nie erreicht wird.
Was macht die KI in der Dermatologie?
(Beispiele entnommen aus (3) und (1))

KI in der Hautkrebsdiagnostik – Chancen und Grenzen von CNNs
KI-Modelle, insbesondere Convolutional Neural Networks (CNN), werden zunehmend erfolgreich zur Analyse dermatologischer Bilddaten eingesetzt, insbesondere bei der Erkennung von malignen Hauterkrankungen. Dabei analysieren die Modelle Bilder von Hautläsionen auf Pixelebene, um zwischen gutartigen und bösartigen Veränderungen zu unterscheiden. Mehrere Studien zeigen, dass CNNs in bestimmten Szenarien sogar bessere Ergebnisse erzielen als erfahrene Dermatologinnen und Dermatologen. Ein Beispiel dafür ist die Studie von Brinker et al., in der das CNN besser abschnitt als 136 der insgesamt 257 teilnehmenden Dermatologinnen (4). Eine systematische Übersichtsarbeit von Haggenmüller et al. bestätigt diesen Trend (5): Alle 19 eingeschlossenen Studien zeigten eine überlegene oder zumindest gleichwertige Leistung von CNN-basierten Klassifikatoren im Vergleich zu klinischen Diagnosen. Allerdings wurden die meisten dieser Studien unter hochgradig künstlichen Bedingungen durchgeführt – die Auswertung erfolgte meist anhand einzelner Bilder von Hautläsionen, und die Testdatensätze bestanden überwiegend aus zurückgehaltenen Bildern, die nicht die gesamte Bandbreite der in der klinischen Praxis auftretenden Erkrankungen und Melanom-Subtypen abdeckten. Diese Einschränkungen zeigen, dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind, da die Vergleichsstudien (wie auch die von Brinker et al.) meist unter Laborbedingungen am Bildschirm mit 2D-Bildern durchgeführt wurden – also in einem Umfeld, das nicht alle Aspekte der klinischen Realität abbildet. Dennoch ist zu erwarten, dass die Qualität der KI-Modelle mit der Verfügbarkeit größerer und qualitativ hochwertigerer Datensätze weiter steigen wird. KI-gestützte Anwendungen zur Hautkrebserkennung sind mittlerweile kommerziell verfügbar und werden bereits für das Hautkrebsscreening eingesetzt.
KI-gestützte Diagnose und Therapieplanung bei atopischer Dermatitis
KI wird zunehmend zur Diagnose und Behandlung von atopischer Dermatitis eingesetzt. Dabei werden – ähnlich wie oben bei den Hauttumoren beschrieben - Bilddaten von Hautveränderungen analysiert, um atopische Dermatitis von anderen Hauterkrankungen zu unterscheiden. Auch Daten aus elektronischen Gesundheitsakten (EHR) werden genutzt, um personalisierte Behandlungsempfehlungen abzuleiten. Erste Modelle können zudem die Schwere der Erkrankung und die Wirksamkeit von Therapien vorhersagen.
Psoriasis – Präzisere Diagnose und Therapie durch Mustererkennung
Bei Psoriasis kann KI laut Studien sowohl für die Diagnose als auch für die Therapieoptimierung eingesetzt. Bilddaten von Haut, Nägeln und der Kopfhaut werden zur Klassifikation verwendet. Zudem helfen Modelle dabei, Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für psoriatische Arthritis zu identifizieren. KI-Modelle werden auch genutzt, um die Wirksamkeit biologischer Therapien vorherzusagen und so die Behandlung besser auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen.
Nagelpilz – Automatisierte Erkennung durch Bildanalyse
KI wurde in Studien erfolgreich zur Diagnose von Nagelpilzerkrankungen (Onychomykose) eingesetzt. Bildanalyse-Modelle können Nagelpilz auf Fotos erkennen und die Genauigkeit übertrifft dabei in den Studien die von Dermatologinnen und Dermatologen (6).
Wundheilung und Ulcera – Unterstützung durch Bildsegmentierung
KI-Modelle wurden genutzt, um Hautulzera zu erkennen und die Heilung zu überwachen. Segmentierungsmodelle identifizieren die Grenzen von Wunden auf Pixel-Ebene und unterstützen die klinische Beurteilung. Zudem gibt es erste Ansätze, Druckulcera durch die Analyse von Körperwärmekarten und Liegepositionen frühzeitig zu verhindern.
Dermatopathologie – Hilfe bei der histopathologischen Diagnostik
In der Dermatopathologie werden KI-Modelle zur Unterstützung der histopathologischen Diagnostik eingesetzt. Modelle klassifizieren beispielsweise Basalzellkarzinome und Melanome auf digitalen Schnittbildern und können die Arbeitslast bei der mikroskopischen Untersuchung reduzieren. Auch die Analyse von Immunfluoreszenz-Bildern zur Diagnose bullöser Dermatosen kann durch KI unterstützt werden.
Bildqualität verbessern – Haarentfernung und Kontrastanpassung
Neben der Diagnose und Klassifikation wird KI auch zur Verbesserung der Bildqualität in der Dermatologie eingesetzt. Haarentfernungsalgorithmen können störende Artefakte wie Haare auf Hautbildern entfernen, um die Erkennung von Läsionen zu erleichtern (7).
Personalisierte Hautpflege – Analyse und Empfehlungen durch Apps
KI wird zunehmend auch im Bereich der Hautpflege (AI-powered skincare) eingesetzt. Smartphone-Apps und smarte Spiegel analysieren Hautbilder, um Hauttyp, Feuchtigkeitsgehalt und Hautprobleme wie Unreinheiten oder Falten zu erkennen und darauf basierend Pflegeempfehlungen zu geben. Die tatsächliche Wirksamkeit dieser Empfehlungen ist jedoch oft nicht wissenschaftlich belegt. Trotzdem zeigt ein kurzer Blick in den App Store, dass es bereits zahlreiche Anbieter gibt, die mit KI-gestützter Hautanalyse und personalisierten Empfehlungen werben – ein Hinweis darauf, dass die Technologie in der Praxis durchaus angenommen wird.
Aktuelle Limitationen
(entnommen aus (1), angereichert mit eigenen Inhalten)

KI in der Dermatologie steht vor einer Reihe wissenschaftlicher und ethischer Herausforderungen. Bias in Trainingsdaten stellt ein erhebliches Problem dar, da viele frühe Modelle überwiegend mit Bildern von helleren Hauttypen trainiert wurden, was zu einer reduzierten Genauigkeit bei dunkleren Hauttypen führt (8). Weitere Veränderungen, wie chirurgische Markierungen auf Hautbildern, können die Validität der Modelle beeinträchtigen, indem sie zu falschen Assoziationen zwischen Markierungen und malignen Befunden führen (9). Die uneinheitliche Qualität und Herkunft der Bilddaten erschwert die Entwicklung robuster Modelle, da Unterschiede in Aufnahmetechnik und Lichtverhältnissen die Vorhersagegenauigkeit negativ beeinflussen (z.B. dunkler-Rand-Artefakt durch Linsen eines Dermatoskops, siehe (10)). Die mangelnde Transparenz der Entscheidungsprozesse von KI-Modellen („Black Box“-Problem) erschwert zudem die Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz der Ergebnisse. Die klinische Implementierung von KI setzt zudem eine genaue Beachtung rechtlicher, ethischer und datenschutzrechtlicher Vorgaben voraus, verbunden mit einer fortlaufenden Überprüfung der Modelle.
Perspektiven und Herausforderungen für die Zukunft
Die folgenden Punkte wurden im Artikel von Omiye et al. (1) zentrale Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten für die dermatologische KI genannt:
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Fehlende, uneinheitliche Bilddaten und geringe Informationsweitergabe zwischen Quellen.
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Notwendigkeit einer besseren interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Medizin und Informatik.
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Begrenzte Fähigkeit, die große Vielfalt dermatologischer Erkrankungen zu erkennen.
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Klärung rechtlicher, ethischer und datenschutzrechtlicher Fragen erforderlich.
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Integration klinischer Daten (Anamnese, Geschlecht, Alter) für präzisere Diagnosen.
Zusammenfassend zeigt sich, dass der Einsatz neuer Technologien in der Dermatologie große Chancen bietet – insbesondere durch die hohe diagnostische Genauigkeit von KI-gestützten Modellen wie CNNs. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Modelle unter realen Bedingungen weiter zu optimieren und ihre Integration in den klinischen Alltag zu schaffen. Die Verbesserung der Datenqualität, die Berücksichtigung klinischer Kontextinformationen und die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse sind dabei entscheidende Faktoren. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Medizin und Informatik wird dementsprechend vermutlich weiter eine wichtige Rolle spielen.
Viele Grüße,
Eure Katharina (Ginter)
Quellen:
1. Omiye JA, Gui H, Daneshjou R, Cai ZR, Muralidharan V. Principles, applications, and future of artificial intelligence in dermatology. Front Med [Internet]. 12. Oktober 2023 [zitiert 13. März 2025];10. Verfügbar unter: www.frontiersin.org/journals/medicine/articles/10.3389/fmed.2023.1278232/full
2. History of artificial intelligence. In: Wikipedia [Internet]. 2025 [zitiert 13. März 2025]. Verfügbar unter: en.wikipedia.org/w/index.php;
3. De A, Sarda A, Gupta S, Das S. Use of Artificial Intelligence in Dermatology. Indian J Dermatol. 2020;65(5):352–7.
4. Brinker TJ, Hekler A, Enk AH, Klode J, Hauschild A, Berking C, u. a. Deep learning outperformed 136 of 157 dermatologists in a head-to-head dermoscopic melanoma image classification task. Eur J Cancer Oxf Engl 1990. Mai 2019;113:47–54.
5. Haggenmüller S, Maron RC, Hekler A, Utikal JS, Barata C, Barnhill RL, u. a. Skin cancer classification via convolutional neural networks: systematic review of studies involving human experts. Eur J Cancer Oxf Engl 1990. Oktober 2021;156:202–16.
6. Han SS, Park GH, Lim W, Kim MS, Na JI, Park I, u. a. Deep neural networks show an equivalent and often superior performance to dermatologists in onychomycosis diagnosis: Automatic construction of onychomycosis datasets by region-based convolutional deep neural network. PloS One. 2018;13(1):e0191493.
7. Fink C, Uhlmann L, Vogt K, Schneiderbauer R, Menzer C, Toberer F, u. a. Beeinträchtigung der dermatoskopischen Untersuchung durch Körperbehaarung und klinischer Nutzen eines automatisierten Haarentfernungsalgorithmus. JDDG J Dtsch Dermatol Ges. 2020;18(1):27–33.
8. Daneshjou R, Vodrahalli K, Novoa RA, Jenkins M, Liang W, Rotemberg V, u. a. Disparities in dermatology AI performance on a diverse, curated clinical image set. Sci Adv. 8(31):eabq6147.
9. Winkler JK, Fink C, Toberer F, Enk A, Deinlein T, Hofmann-Wellenhof R, u. a. Association Between Surgical Skin Markings in Dermoscopic Images and Diagnostic Performance of a Deep Learning Convolutional Neural Network for Melanoma Recognition. JAMA Dermatol. Oktober 2019;155(10):1135–41.
10. Sies K, Winkler JK, Fink C, Bardehle F, Toberer F, Kommoss FKF, u. a. Auswirkungen des „dunklen Rand-Artefakts“ in dermatoskopischen Bildern auf die diagnostische Leistungsfähigkeit eines deep learning neuronalen Netzwerkes mit Marktzulassung. JDDG J Dtsch Dermatol Ges. 2021;19(6):842–51.
11. Liopyris K, Gregoriou S, Dias J, Stratigos AJ. Artificial Intelligence in Dermatology: Challenges and Perspectives. Dermatol Ther. 28. Oktober 2022;12(12):2637–51.
Offenlegung: Für diesen Artikel ist keine systematische Literaturrecherche erfolgt. Die zitierten Studien geben die Erfahrung der Autorin wieder, die zuvor am Uniklinikum Heidelberg als Ärztin tätig war und dementsprechend die dortigen Publikationen gut kennt. Dieser Artikel kann die genannten Aspekte naturgemäß nur in einem begrenzten Rahmen darstellen und bietet keinen Raum für eine umfassende Ausarbeitung aller mit KI verbundenen Herausforderungen und Lösungsansätze.
AI Disclaimer: ChatGPT wurde fur die sprachliche Ausformulierung dieses Textes mitverwendet. Es wurden keine inhaltlichen Aspekte von ChatGPT übernommen.