Zwischen Aufklärung und Verantwortung:Dermatologie im Zeitalter von Social Media

Teil I: Der digitale Auftritt – Segen oder Risiko für die Medizin?

Nehmen wir eine fiktive Ärztin und nennen wir Sie Sophie M. Eine junge Dermatologin in Hamburg. Sophie gehört zu einer neuen Generation von Ärztinnen und Ärzten, die soziale Medien nicht mehr nur privat nutzen. Auf Instagram und TikTok klärt sie regelmäßig über Akne, Hautkrebsfrüherkennung und Sonnenschutz auf. Ihre Reels sind professionell produziert, die Reichweite beeindruckend. Ihre Motivation? So einfach, wie komplex – das Stigma rund um Hautprobleme brechen.

Tatsächlich ist Social Media heute ein mächtiges Werkzeug zur öffentlichen Gesundheitsbildung. Dabei sprechen wir von „Patient Education“ – also „Patientenbildung“. Gerade dermatologische Themen, die oft mit Scham behaftet sind – wie eine schuppige Psoriasis, eine fulminante Rosazea oder eine blühende Akne – lassen sich durch visuelle Plattformen eindrucksvoll enttabuisieren. Gleichzeitig erlaubt es die schnelle Verbreitung medizinischen Wissens – niederschwellig, direkt, greifbar. Für jede oder jeden (mit Internetzugang).

Doch auch die Risiken sind real: Patientendaten, selbst wenn scheinbar anonymisiert, könnten durch Kontext oder Bilddetails rekonstruierbar sein. Ein Bild aus der Sprechstunde? Oder aus dem Freundeskreis? Und nicht jeder Fallbericht wird ausschließlich zu Bildungszwecken geteilt – die Grenze zur Sensationalisierung ist fließend. Pickel for Clickbait munkelt so mancher.

Teil II: Ethische Leitplanken im digitalen Raum

Medizinische Ethik endet nicht auf dem Smartphone. Eine Session zum Thema auf der AAD zeigte, auch online gelten ethische Prinzipien wie:

  • Benefizienz: Informationen sollten dem Wohl des Patienten dienen.
  • Nonmalefizienz: Inhalte dürfen keine Schäden verursachen – weder emotional noch gesundheitlich.
  • Autonomie: Patienten und Patientinnen müssen einer Veröffentlichung informiert und freiwillig zustimmen.
  • Gerechtigkeit: Alle Beteiligten verdienen faire, vorurteilsfreie Behandlung – auch im Diskurs.
  • Vertraulichkeit: Der Schutz sensibler Informationen ist oberstes Gebot.

Teil III: Verantwortung der Ärztinnen und Ärzte auf Social Media

Die Datenschutzgesetze (in den USA das HIPAA und in Deutschland die DSGVO) schreiben vor, dass personenbezogene Daten anonymisiert und sicher verarbeitet werden müssen. Verstöße – selbst unbeabsichtigte – können nicht nur rechtliche Konsequenzen haben, sondern führen oft zu Verlust von Vertrauen auf beiden Seiten. Darüber hinaus besteht die Gefahr der Stigmatisierung von Betroffenen und ein Image-Schaden für die Ärzteschaft insgesamt.

Bleiben wir bei unserem fiktiven Social Media Beispiel: Sophia trennt ihre beruflichen und privaten Accounts, lässt sich bei Kooperationen juristisch beraten und nennt niemals konkrete Fallbeispiele ohne schriftliche Zustimmung. Ihre Produktwerbung kennzeichnet sie transparent, wissenschaftliche Studien belegen ihre Aussagen.

Doch leider ist das im realen (oder eben digitalen Leben) eben nicht immer so. Die Sendung “ZDF Magazin Royale” mit Jan Böhmermann zeigte kürzlich eindrücklich, wie ästhetische Eingriffe – etwa durch Dermatologen und Schönheitschirurgen – in sozialen Netzwerken verharmlost oder sogar inszeniert werden. Filter, chirurgische Vorher-Nachher-Videos und gesponserte Inhalte vermischen sich mit medizinischer Information – oft ohne klare Trennung. Die Folge: Verunsicherung und ein verzerrtes Körperbild, besonders bei jungen Menschen. Und auch in der Sprechstunde schlagen Fragen auf, die online geweckt wurden. Durch Fehlinformationen oder einen falschen Kontext.

Teil IV: Ärztliches Engagement – Pflicht oder Privatsache?

Wir Ärztinnen und Ärzte tragen Fachwissen, das in gesellschaftlichen Debatten von großer Bedeutung sein kann – etwa bei Themen wie Hautkrebsprävention oder UV-Schutz. Wir sind in der Ambulanz sogar über Schlauchboot-Lippen gestolpert, ein TikTok „Hauttrend“, den wir dank des Wissens über die Verbreitung behandeln konnten. Aber: warum nicht auch aufklären?

Schließlich kann Schweigen auch eine Form von Mitschuld sein, wie der Fall des Tuskegee-Syphilis-Experiments in den USA historisch zeigt. In dieser von 1932 bis 1972 durchgeführten Studie wurde der natürliche Verlauf einer unbehandelten Syphilis Infektion bei mehr als 600 afroamerikanischen Männern ohne deren informierte Zustimmung durchgeführt. Die fehlende Aufklärung führte ergo zu Leid und Tod. Ärztliche Verantwortung endet nicht an der Praxistür – oder am HomeButton auf dem Smartphone.

Aber: Gesundheitliches (und damit auch politisches) Engagement birgt Risiken. Wer sich zu laut äußert, muss mit Kritik, institutionellem Druck oder Reputationsverlust rechnen. Darf ich als Angestellter Arzt z.B. überhaupt Stellung beziehen? Und: muss mein Arbeitgeber davon in Kenntnis gesetzt werden? Wichtige Fragen, die wir im Studium oder Berufsalltag nicht lernen. Dabei muss die Grenze zwischen öffentlicher Gesundheit und parteiischer Meinung höchst sorgfältig gezogen werden – besonders auf Social Media.

Die Richtlinien der Ärztekammern empfehlen: politische Themen ja, aber nicht in belastenden klinischen Kontexten und nicht parteipolitisch polarisierend.

Teil V: Was ist (un)professionell – und was nicht?

Nicht alles, was „privat“ gepostet wird, bleibt ohne Wirkung auf das Berufsbild. Schließlich schwören wir mittels Hippokratischem Eid auf unser Handeln per se. Selbstverständlich gelten diffamierende Aussagen zu Drogen wie Alkohol, aggressive Sprache oder sexistische Witze natürlich als unprofessionell. Aber wo ist ein Witz zu woke oder eine Sprache zu scharf? Denn selbst Inhalte im „Graubereich“ können Verwirrung stiften oder das Vertrauen in eine Ärztin oder einen Arzt mindern.

Im Gegensatz dazu können respektvoll erzählte Patientengeschichten (ohne Identifizierungsmerkmale) das Vertrauen sogar stärken – sie wirken empathisch, nahbar, menschlich. Storytelling nennt das Marketing dieses Werbeinstrument. Womit wir beim nächsten Thema sind: Interessenkonflikte durch Werbung. Wer Hautpflegeprodukte empfiehlt, sollte etwa offenlegen, ob er oder sie dafür Geld erhält. Neben finanziellen spielen auch nicht-finanzielle conflicts of interest (z. B. Karriereinteresse, politisches Engagement, Wunsch nach Reichweite) eine Rolle.

Teil VI: Kampf gegen Fehlinformation – eine neue ärztliche Pflicht

In der Session wurde klar: das dermatologische Sprechzimmer wurde in der Pandemie vor die Kamera verlegt. Teledermatologie offline und online wurde etabliert. Patientinnen und Patienten suchten online nach Informationen und stießen so vor allem auf #fakenews. Dieses ist ein ganz besonderes Problem in der Dermatologie. Wer kennt keine Hautmythen, die früher allenfalls in gelockerter Runde geäußert wurden, heute aber fester Bestandteil der Sprechstunde sind. Zahnpasta gegen Pickel, Teebaumöl bei Hautkrebs oder andere Influencer, die vermeintliche Wundermittel hypen. Wenn solche Falschinformationen von Expertinnen oder Experten unseres Fachs stammen, ist der Schaden umso größer.

Was können wir tun? Die AAD präsentierte Strategien wie:

  • Prebunking: frühzeitige Aufklärung über typische Mythen
  • Kampagnen wie „Your Dermatologist Knows“, die belegen: der oder die ärztliche Kollegin verhält sich gemäß unseres ärztlichen Kodex
  • Transparente, bewusst konzipierte Formate („Frag die Hautärztin“), die
    helfen, Vertrauen zurückzugewinnen und Fachgruppen miteinschließen

Fazit: Verantwortung im digitalen Zeitalter

Social Media ist in der Medizin angekommen – gerade in der Dermatologie. Unser Fach, welches sowieso schon stark visuell arbeitet, bekommt nun auch die digitale Brille aufgesetzt. Dabei eröffnen sich enorme Möglichkeiten zur Aufklärung, Stigma-Reduktion und Patientennähe. Doch es fordert zugleich ein hohes Maß an ethischem Bewusstsein, rechtlicher Sorgfalt und persönlicher Integrität.

Eine Aufgabe, derer wir uns bei juDerm gerne annehmen und euch auffordern: Was sind eure Fragen zu Social Media in rechtlicher und medizin-ethischer Sicht? Stay tuned – wir beantworten Sie bald. Denn: eine gute Dermatologie behandelt nicht nur die Haut – sie schützt auch das Vertrauen in die Medizin. Und das beginnt heute oft im Internet.