Diagnose

Talgdrüsenkarzinom im Rahmen eines Muir-Torre-Syndroms

Diskussion
Das Auftreten von Talgdrüsentumoren, besonders am Rumpf, deutet auf die Möglichkeit eines zugrunde liegenden Muir-Torre-Syndroms (MTS) hin. Höchstwahrscheinlich als eine Untergruppe des hereditären nicht polypösen kolorektalen Karzinomsyndroms (HNPCC) steht das Muir-Torre- Syndrom in Verbindung mit der Entwicklung von Talgdrüsentumoren und/oder Keratoakanthomen [ 2 ] . In diesem Zusammenhang sind die häufigsten viszeralen Malignome das kolorektale Karzinom und urogenitale Tumoren [ 3, 4 ] . Nach den von Bolognia et al. vorgeschlagenen Kriterien zur Risikobewertung zeigt ein extraokuläres Talgdrüsenkarzinom mit fehlender Expression der Mismatch-Reparaturproteine (MMR-Proteine) und der MSI-H, zusammen mit einer persönlichen und einer Familienanamnese von mehreren viszeralen Malignomen eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines MTS an [ 5 ]. Das MTS besitzt ein autosomal dominantes Vererbungsmuster und ein fehlerhaftes DNA-Mismatch-Reparatursystem. In den meisten Fällen führen Mutationen in einem von vier unterschiedlichen Genen zu diesem Defekt: MSH2 , MSH6 , MLH und PMS2 [ 2, 6 ]. MSH2 scheint das am häufigsten mutierte Gen zu sein. Während die in der IHC gezeigte fehlende Expression auf eine Mutation im betreffenden Gen hindeutet, können Defekte in assoziierten Proteinen und Hypermethylierung des Promotors ebenfalls zum Verlust der Expression führen. Bisher gibt es bei der diagnostischen Abklärung des Talgdrüsenkarzinoms keinen allgemeinen Konsens über die Anzahl der, bezüglich ihrer Expression, zu analysierenden Gene [ 7, 8 ]. Da das PMS2 ohne MLH1 nicht stabil ist, ist der kombinierte Verlust dieser beiden Proteine ein üblicher Befund. Die fehlerhaften MMR-Gene führen zur MSI, welche auf Abweichungen in genetischen Regionen hinweist, die besonders anfällig für Replikationsfehler sind. Im Allgemeinen sind die MSI-H und somatische Mutationen der MMR-Gene bei Talgdrüsentumoren relativ häufig und daher nicht pathognomonisch für das MTS [ 9 ]. Untersuchungen zum Nachweis von Keimbahn - Mutationen der MMR-Gene können den definitiven Nachweis eines MTS liefern. Jedoch beträgt ihre diagnostische Sensitivität nur 50–95 %, da nicht alle Mutationen bekannt sind, die das MTS verursachen. Unserer Patientin wurde eine Untersuchung auf Keimbahnmutationen angeboten, die sie ablehnte. Trotzdem ist nach unserer Meinung die Diagnose des MTS sehr wahrscheinlich, und somit eine genetische Beratung für Familienangehörige empfehlenswert.

Der vorliegende anschaulich Fall zeigt zwei häufige Fallstricke bei der Diagnose des MTS. Erstens entwickeln mehr als die Hälfte der MTS-Patienten ein viszerales Malignom vor der Feststellung eines Talgdrüsentumors [ 3 ]. Jedoch ist die letztgenannte Läsion häufig diejenige, die auf die Diagnose des MTS hinweist. Insbesondere zeigte eine Studie, dass mehr als 20 % der Patienten mit Talgdrüsentumoren auch ein viszerales Malignom zum Diagnosezeitpunkt oder zuvor aufwiesen [ 4 ]. Zweitens erschweren das relativ hohe Alter (65 Jahre) bei der Erstdiagnose sowie die Zeitdifferenz von sechs und anschließend von 13 Jahren zwischen den drei unterschiedlichen Karzinomen die Diagnose eines möglichen zugrundeliegenden Syndroms [ 2, 10 ] .

Zusammengefasst verdeutlicht der hier vorgestellte Fall die Bedeutung einer ausgewogenen Risikobewertung und diagnostischen Abklärung für das MTS, auch bei älteren Patienten mit einem scheinbar atypischen klinischen Erscheinungsbild.

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Boland CR , Thibodeau SN , Hamilton SR et al. A National Cancer Institute workshop on microsatellite instability for cancer detection and familial predisposition: development of international criteria for the determination of microsatellite instability in colorectal cancer . Cancer Res 1998 ; 58 ( 22 ): 5248 – 57 .
2 Eisen DB , Michael DJ . Sebaceous lesions and their associated syndromes: part II . J Am Acad Dermatol 2009 ; 61 : 563 – 78 ; quiz 79–80.
3 Cohen PR , Kohn SR , Kurzrock R . Association of sebaceous gland tumors and internal malignancy: the Muir-Torre syndrome. Am J Med 1991 ; 90 : 606 – 13 .
4 Lee BA , Yu L , Ma L et al. Sebaceous neoplasms with mismatch repair protein expressions and the frequency of co-existing visceral tumors . J Am Acad Dermatol 2012 ; 67 : 1228 – 34 .
5 Bolognia JL , Jorizzo JL , Schaffer JV . Dermatology , 3rd edition , London : Elsevier Saunders 2012 ; chapter 63.
6 Lorente-Lavirgen AI , Morillo-Andujar M , Zulueta-Dorado T et al. Microsatellite and genetic instability in patients with Muir-Torre syndrome . Actas Dermosifiliogr 2013 ; 104 : 643 – 4 .
7 Ponti G , Pellacani G , Seidenari S et al. Cancer-associated genodermatoses: skin neoplasms as clues to hereditary tumor syndromes . Crit Rev Oncol Hematol 2013 ; 85 : 239 – 56 .
8 Boer-Auer A. [Differential diagnostics of sebaceous tumors] . Pathologe 2014 ; 35 : 443 – 55 .
9 Kruse R , Rutten A , Schweiger N et al. Frequency of microsatellite instability in unselected sebaceous gland neoplasias and hyperplasias . J Invest Dermatol 2003 ; 120 : 858 – 64 .
10 Finan MC , Connolly SM . Sebaceous gland tumors and systemic disease: a clinicopathologic analysis . Medicine (Baltimore) 1984 ; 63 : 232 – 42 .

 

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