Diagnose
17. Oktober 2017
Multilokuläre Necrobiosis lipoidica in Tätowierungen
Therapie und Verlauf
Bei fortgeschrittenem Bild einer multilokulären und ulzerierten
Necrobiosis lipoidica leiten wir nach entsprechender Aufklärung
über den Off-Label-Einsatz eine Systemtherapie mit
Fumarsäureestern ein. Am linken Unterschenkel erfolgt zusätzlich
eine antiseptische Therapie und nach mechanischem
Wunddebridement die Wundbehandlung mit silberhaltigen
Polyurethanschaumverbänden. Des Weiteren begannen wir
eine Kompressionstherapie. Leider entzog sich der Patient der
weiteren Behandlung, so dass keine Angaben zum weiteren
Krankheitsverlauf gemacht werden können.
Diskussion
Professionelle Tätowierungen erfolgen heutzutage mittels
elektrisch betriebener Tätowierungsmaschinen, die Pigment
durch regelmäßige Nadeleinstiche auf 1–2 mm Tiefe in die
Dermis einbringen. Die Zusammensetzung der Tätowierfarbstoffe
ist oft unklar und die verwendeten, teilweise toxischen
Metallsalze und organischen Farbstoffe (in schwarzer
Farbe beispielsweise Kohlenwasserstoff) sind ebenso wie die
Trägerstoffe (Methanol, Formaldehyd) mit erheblichen Gesundheitsrisiken
verbunden. Komplikationen nach Tätowierungen
treten mit einer Prävalenz von ca. 2 % häufig auf und
umfassen neben der Übertragung von Infektionen vor allem
infl ammatorische Hautreaktionen [ 1–3 ]. Selten treten kutane
Neoplasien wie Plattenepithelkarzinome, Basalzellkarzinome
oder Leiomyosarkome auf [ 4–7 ] . Die Verwendung quecksilberhaltiger
roter Tätowierfarbstoffe scheint infl ammatorische
Hautveränderungen zu begünstigen. Diese zeigen sich überwiegend
als lichenoide Reaktionen, aber auch psoriasiforme,
granulomatöse oder pseudolymphomatoide Dermatosen wurden
beschrieben [ 1–3 ].
Die Necrobiosis lipoidica (NL) tritt meist im Rahmen
eines Diabetes mellitus auf und wird dann als Necrobiosis
lipoidica diabeticorum bezeichnet [ 8 ] . Bei Diagnosestellung
sind bis zu 60 % der Patienten auch an Diabetes mellitus
erkrankt, insgesamt betrifft die NL jedoch nur 1 % der
Patienten mit Diabetes mellitus. Die Komorbidität umfasst
neben weiteren Erkrankungen aus der Gruppe des metabolischen
Syndroms auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen.
Auch eine chronisch venöse Insuffi zienz liegt
häufi g vor [ 8 ]. Prädilektionsstellen sind die Streckseiten der
Unterschenkel und Fußrücken. In 15 % sind andere Areale
wie beispielsweise Handrücken und Unterarme betroffen.
Klinisch imponiert die NL als scharf begrenzte, gelbbraune
Plaque mit gerötetem Randsaum und zentraler Atrophie
mit zahlreichen Teleangiektasien [ 9 ] . Histologisch zeigt sich
eine Degeneration des dermalen Bindegewebes und der elastischen
Fasern (bezeichnet als Necrobiosis), umgeben von
histiozytären Infi ltraten (oft in Palisadenstellung). Im Gegensatz
zum Granuloma anulare umfasst die Entzündung
die gesamte Dermis [ 9 ] .
Das Auftreten einer Necrobiosis lipoidica innerhalb
einer Tätowierung ist sehr selten und wurde in der Literatur
bisher zweimal beschrieben [ 10, 11 ] . Hierbei ist zu diskutieren,
ob die NL eine atypische Fremdkörperreaktion
auf den Tätowierfarbstoff darstellt oder im Sinne eines
isomorphen Reizeffekts (Köbner-Phänomen) auftritt. Die
Zeitspanne zwischen mechanischer Hautreizung und Köbnerisierung
umfasst in der Regel Wochen bis Monate, es
wurden aber auch Zeiträume von bis zu zwei Jahren beobachtet
[ 9 ] . Da bei unserem Patienten überwiegend die roten
Tattoo- Areale betroffen sind, gehen wir davon aus, dass die
NL eine besondere Form der Fremdkörperreaktion auf den
roten Tätowierfarbstoff war. Gegen das Auftreten einer von
den Tätowierungen unabhängigen NL spricht die Tatsache,
dass ausschließlich tätowierte Areale betroffen sind. Für eine
Typ-IV-Allergie auf den Tätowierfarbstoff fi ndet sich kein
Anhalt. Assoziierte Erkrankungen liegen bei unserem Patienten
nicht vor. Eine spätere Manifestation eines Diabetes
mellitus ist grundsätzlich möglich, daher sind regelmäßige
Screeninguntersuchungen zu empfehlen.
Bisher gibt es keine standardisierte Therapie der Necrobiosis
lipoidica. Erfolgreiche Behandlungsverläufe sind für
topische Steroide (ggf. okklusive Anwendung), topische
Calcineurininhibitoren und PUVA-Therapie dokumentiert.
In Einzelfällen wurde über den erfolgreichen Einsatz von
Systemtherapeutika wie Acetylsalicylsäure, Pentoxifyllin,
Chloroquin, Ciclosporin, Thalidomid, Mycophenolatmofetil,
Fumarsäureester und Biologika wie TNF α -Inhibitoren
berichtet. Insbesondere die ulzerierende NL stellt aber weiterhin
eine therapeutische Herausforderung dar. Neben modernen
Wundaufl agen kann in diesen Fällen der Einsatz einer
V.A.C.-Therapie hilfreich sein [ 12 ] .
Interessenkonflikt
Keiner.
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Die Diagnosequzze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom
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