Diagnose

Diagnose:

Lupus vulgaris

Diskussion
Weitere mikrobiologische Diagnostik
Es erfolgte eine erneute Hautbiopsie zur mikrobiologischen Diagnostik von Nativmaterial. Im Standardansatz wurde in der Kultur nur normale Hautflora nachgewiesen. Mikroskopisch gab es keinen Nachweis von säurefesten Stäbchen (Auramin-Färbung). Molekularbiologisch konnte in geringen Mengen Mycobacterium (M.)-tuberculosis-Komplex-DNA festgestellt werden. Kulturell gelang nach zwei Wochen der Nachweis von M. bovis ssp. bovis (M. bovis). Eine systemische Manifestation der Tuberkulose konnte durch klinische Untersuchungen, Bildgebung (CT-Thorax und -Abdomen) und wiederholte Sputumuntersuchungen auf Mykobakterien ausgeschlossen werden. Der Interferon-gamma-Release-Assay (IGRA) war positiv. Eine HIVInfektion wurde ausgeschlossen.

Therapie und Verlauf
Wir stellten die Diagnose eines Lupus vulgaris. Die Therapie der Tuberkulose durch Erreger des M.-tuberculosis-Komplexes (inklusive M. bovis) erfolgt nach deutscher Leitlinie über mindestens sechs Monate. Eine längere Therapiedauer ist bei ZNS- und Knochentuberkulose indiziert. Aufgrund der intrinsischen Pyrazinamid-Resistenz bei M. bovis ssp. bovis wird in der Leitlinie eine verlängerte Therapie über neun Monate empfohlen (initial zwei Monate Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol, anschließend sieben weitere Monate Isoniazid und Rifampicin). Bereits nach sechs Monaten Therapie
zeigte sich bei unserer Patientin eine deutliche Besserung des Lokalbefundes (Abbildung 1). Bei ausgedehnten Befunden ist über eine Erweiterung der initialen Therapie um ein Fluorchinolon (Levo- oder Moxifloxacin) nachzudenken [1].

Diskussion
Im Jahr 2019 sind weltweit circa zehn Millionen Menschen an Tuberkulose erkrankt [2]. Am häufigsten ist die Lunge betroffen (72,2 % der Fälle in Deutschland 2019). Fälle einer extrapulmonalen Tuberkulose im Sinne einer kutanen Tuberkulose sind selten. Die Klassifikation der kutanen Tuberkulose erfolgt anhand des Infektionsweges (exogen, endogen), der Immunitätslage des Patienten (anerg, normerg, hypererg) und der Bakterienlast im Gewebe (paucibazillär, multibazillär) [3]. Erreger der Hauttuberkulose ist meist M. tuberculosis, selten auch M. bovis sowie Bacillus Calmette-Guérin (BCG-Impfstamm). Lupus vulgaris ist die häufigste Form der kutanen Tuberkulose in Europa und gilt als nicht kontagiös (paucibazillär) [4]. Die Hautbeteiligung erfolgt meist über eine hämatogene oder lymphogene Ausbreitung oder per continuitatem [5]. Auch eine primär exogene Inokulation ist möglich (beispielsweise nach BCG-Impfung). Typische Lokalisationen sind Wangen sowie Nase, Ohren und Lippen. Ein Schleimhautbefall ist möglich. Seltener sind das Gesäß und die Extremitäten betroffen [6]. Meist entwickelt sich aus einer einzelnen Papel langsam progredient über Jahre eine Plaque (bis > 10 cm) mit leicht erhabenen, verrukösen Rändern und zentraler Atrophie. Seltener werden auch hypertrophe, ulzeröse und vegetative Formen beschrieben. Der Ausschluss von anderen Organmanifestationen ist essenziell (zum Beispiel infektiöse Lungentuberkulose). Unter einer tuberkulostatischen Therapie heilen 97,3 % der Fälle innerhalb von Monaten ab [7]. Bei paucibazillären Formen der kutanen Tuberkulose gelingt ein direkter mikroskopischer Erregernachweis meist nicht. Goldstandard ist der kulturelle Nachweis von Mykobakterien
aus Nativmaterial, hilfreich ist eine Kombination mit einer M.-tuberculosis-Komplex-PCR und einem IGRA [8]. Mycobacterium bovis gehört zum M.-tuberculosis-Komplex und machte 2019 in Deutschland 1,7 % der Tuberkulosefälle aus [9]. Als Zoonoseerreger kann es von Tieren (vor allem Rindern) über nicht pasteurisierte Milchprodukte oder direkten Kontakt auf den Menschen übertragen werden [10]. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist unwahrscheinlich. Deutschland hat seit 1997 den Status „Rindertuberkulose-frei“, das heißt, 99,9 % der Rinderbetriebe sind erregerfrei.
Allerdings gab es immer wieder M.-bovis-Nachweise im Nordwesten Deutschlands [11]. Anamnestisch bestand bei der Patientin kein Kontakt zu Nutztieren. Kutane Infektionen mit M. bovis sind in der Literatur beschrieben, jedoch äußerst selten. Meist handelt es sich um chronische, mehrere Jahre bis Jahrzehnte bestehende paucibazilläre Infektionsformen. Wahrscheinlich hat sich die Patientin in ihrer Kindheit infiziert, da damals die Durchseuchung der Rinderherden sehr hoch war (Übertragung über kontaminierte Milch). Die Erkrankung der Patientin ist daher am ehesten eine reaktivierte Infektion. Histologisch fanden sich in unserem Fall keine typischen tuberkuloiden Granulome, sondern eine sarkoidale granulomatöse Dermatitis. Selten können auch sarkoidale Granulome Ausdruck einer Tuberkuloseinfektion sein. Dies sollte dem Kliniker und Histopathologen bewusst sein, um eine Fehldiagnose oder Diagnoseverzögerungen zu vermeiden [12]. Insbesondere bei einer langjährigen Tuberkuloseinfektion und einer normergen Reaktionslage ist ein sarkoidales Reaktionsmuster nicht untypisch [13]. Histochemische Spezialfärbungen fallen durch die geringe Anzahl des Erregers oft negativ aus.

Unser Fall zeigt, dass bei persistierenden solitären granulomatösen Entzündungen der Haut immer auch eine Tuberkulose ausgeschlossen werden sollte.

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur

1 Schaberg T, Bauer T, Brinkmann F et al. Tuberculosis guideline for adults – Guideline for diagnosis and treatment of tuberculosis including LTBI testing and treatment of the German Central Committee (DZK) and the German Respiratory Society (DGP). Pneumologie 2017; 71(6): 325–97.
2 Global tuberculosis report 2019. Geneva: World Health Organization; 2019. ISBN 978-92-4-156571-4
3 Barbagallo J, Tager P, Ingleton R et al. Cutaneous tuberculosis: diagnosis and treatment. Am J Clin Dermatol 2002; 3(5): 319–28.
4 Leo F, Grohé C, Tronnier M. Tuberculosis cutis luposa (Lupus vulgaris). Dtsch Arztebl Int 2018; 115(25): 428.
5 Kaimal S, Authal V, Kumaran MS, Abraham A. Cutaneous tuberculosis of the pinna: a report of two cases. Int J Dermatol 2013; 52(6): 714–7.
6 Ceylan C, Gerceker B, Ozdemir F, Kazandi A. Delayed diagnosis in a case of lupus vulgaris with unusual localization. J Dermatol 2004; 31(1): 56–9.
7 Mann D, Sant’Anna FM, Schmaltz CAS et al. Cutaneous tuberculosis in Rio de Janeiro, Brazil: description of a series of 75 cases. Int J Dermatol 2019; 58(12): 1451–9.
8 Kromer C, Fabri M, Schlapbach C et al. Diagnosis of mycobacterial skin infections. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17(9): 889-893.
9 Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2019. Robert Koch-Institut, Berlin 2020.
10 Stoevesandt J, Kurzai O, Bröcker EB, Hamm H. Persistent reddish-brown plaque on the occiput of a 62-year-old patient. J Dtsch Dermatol Ges 2007; 5(1): 55–57.
11 Eisenberg T, Menge C. Zoonotische Infektionen mit Mycobacterium tuberculosis in deutschen Nutztierbeständen. Epid Bull 2017; 20: 177–80.
12 Dequidt L, Dousset L, Pham-Ledard A et al. Long-lasting cutaneous tuberculosis owing to Mycobacterium bovis masquerading as sarcoidosis. JAAD Case Rep 2019; 5(1): 1–4.
13 Chokoeva AA, Tchernev G, Tana C et al. Sarcoid-like pattern in a patient with tuberculosis. J Biol Regul Homeost Agents 2014; 28(4): 783–8.

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft