Diagnose

Pemphigoid des Neugeborenen

Befunde bei der 25-jährigen Mutter

Hautbefund
An Armen, Händen, Unterschenkeln und Rumpf mit Betonung der Periumbilikalregion fanden sich urtikarielle, teils kokardenförmige Erytheme (Abbildung 2a, b).

Histologie
Subepidermale Spaltbildung an der Junktionszone mit Akkumulation von eosinophilen Granulozyten

Autoimmundiagnostik
Mittels direkter Immunfluoreszenz ließen sich lineare Ablagerungen von Komplement C3 nachweisen. In der indirekten Immunfluoreszenz waren zirkulierende IgG-Autoantikörper entlang der Basalmembran zu sehen und im Komplementbindungstest komplementfixierende Autoantikörper, die im Dach der artifiziellen Blase der NaCl-separierten humanen Spalthaut gebunden waren. BP180 spezifische Antikörper wurden mittels ELISA detektiert. Somit bestätigte sich die Diagnose eines Pemphigoid gestationis.

Therapie und Verlauf bei Mutter und Kind
Die Effloreszenzen beim Kind schwanden ohne Therapie folgenlos. Die Mutter entwickelte Blasen und wurde bei starkem Juckreiz und unzureichender Befundbesserung unter Lokaltherapie mit Methylprednisolonaceponat-haltiger Lotion zusätzlich mit initial 50 mg Prednisolon p.o. in ausschleichender Dosierung über eine Woche behandelt. Darunter und danach traten keine neuen Blasen auf. Die bereits etablierten Blasen trockneten ein und das Erythem blasste ab.

Diskussion
Die Vernetzung zwischen Dermis und Epidermis ist postnatal nicht vollständig ausgeprägt, da das Stratum basale unmittelbar nach der Geburt fast parallel zur Oberfläche verläuft, so dass viele Dermatosen, die im Erwachsenenalter beispielsweise durch Ausbildung von Papeln gekennzeichnet sind, im Neugeborenenalter mit Blasenbildung einhergehen können [1, 2]. Nicht in allen Fällen kann, wie in unserem Beispiel, durch eine Hautinspektion der Mutter die Diagnose klinisch sicher gestellt werden. Das Pemphigoid gestationis (früher: Herpes gestationis) ist eine seltene bullöse Autoimmundermatose, welche in etwa 1 von 50 000 Schwangerschaften auftritt und sich in 5–10 % der Fälle auch beim Neugeborenen manifestiert [3]. Meist entwickeln die betroffenen Mütter ab dem 2. Trimenon – in einigen Fällen auch postpartal – einen generalisierten Juckreiz sowie urtikarielle Papeln und Plaques. Charakteristischerweise entstehen diese Läsionen zunächst periumbilikal; später neigen sie zur Dissemination und sekundärer Blasenbildung. Wenn diese bullöse Transformation in 20–40 % der Fälle ausbleibt [4], kann die klinische Abwägung anderer Schwangerschaftsdermatosen (polymorphes Exanthem der Schwangerschaft, atopische Schwangerschaftsdermatose) erschwert sein [3].

Dieser Fallbericht zeigt den seltenen Fall einer passiven transplazentaren Übertragung von Autoantikörpern von der Mutter auf den Fetus mit daraus resultierender postpartaler Blasenbildung an der Haut des Neugeborenen. Die Ätiologie des Pemphigoid gestationis ist unbekannt und entgegen der veralteten Namensgebung, Herpes gestationis, besteht keine Assoziation zu Herpesvirusinfektionen [5]. Die meisten Patientinnen entwickeln Autoantikörper gegen die hemidesmonalen Strukturproteine BP180 und in seltenen Fällen gegen BP230, ähnlich dem bullösen Pemphigoid. Die Autoantikörper reagieren mit der Basalmembran des Amnionepithels der Plazenta. Somit erklärt sich das Auftreten des Pemphigoid gestationis auch beim Chorionkarzinom und der Blasenmole. Treten trophoblastische Tumoren während einer Schwangerschaft auf, ist eine Persistenz der Läsionen charakteristisch [6]. Da auch bei einer erneuten Schwangerschaft mit demselben Kindsvater das Rezidivrisiko erhöht ist, wird eine Autoantikörperbildung gegen väterliche HLA-Antigene der Plazenta als möglicher Auslöser diskutiert [3]. Mit der Schwere der Erkrankung und einem frühen Erkrankungsbeginn während der Schwangerschaft nimmt das Risiko für Frühgeburtlichkeit, Plazentainsuffizienz und reduziertem Geburtsgewicht zu [4, 6] und damit auch eine erhöhte Kontrollbedürftigkeit mit engmaschigeren Untersuchungsintervallen beim Gynäkologen. Normalerweise verstärken sich alle Hautsymptome während der Geburt und bilden sich nach einigen Wochen zurück. Erneute Schübe während der Menstruation oder nach Einnahme von oralen Kontrazeptiva sind allerdings möglich [6, 7].

Als Therapie wählt man antiinflammatorische Medikamente, da nicht alleinig die Bindung der Autoantikörper an die Zielantigene zur Blasenbildung führen, sondern eine Interaktion mit dem angeborenen Immunsystems, dem Komplementsystem und Entzündungszellen der Spaltbildung vorausgeht und dieser Prozess durch Glukokortikosteroide unterdrückt werden kann [8]. Zunächst sollte eine Lokaltherapie mit nicht-halogenierten Glukokortikoiden (z. B. Prednicarbat, Mometasonfuroat) in geeigneter Grundlage versucht werden in Kombination mit oralen nicht-sedierenden Antihistaminika der 2. Generation z. B. Loratadin [9]. Bessern sich Juckreiz und Hautsymptome nicht ausreichend, ist eine Systemtherapie mit nicht-fluorierten Glukokortikoiden (z. B. Prednisolon 0,5–1 mg/d) indiziert, da diese die Plazentaschranke nicht in relevanter Konzentration überschreiten [3]. Eine Behandlung des Kindes ist in der Regel nicht erforderlich, da, wie in unserem Fall, die Hautveränderungen innerhalb weniger Tage oder Wochen spontan abheilen [4].

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Höger P. Struktur und Funktion der Haut. In: Höger P: Kinderdermatologie – Differenzialdiagnostik und Therapie bei Kindern und Jugendlichen, 3. Auflage. Stuttgart: Schattauer, 2011: 7–8.
2 Höger P, Hamm H. Anatomie und Physiologie der Haut des Neugeborenen. In: Traupe H, Hamm H: Pädiatrische Dermatologie. 2. Auflage. Heidelberg: Springer, 2006: 11.
3 Ambros-Rudolph CM. Schwangerschaftsdermatosen. J Dtsch Dermatol Ges 2006; 4: 748–59.
4 Ingen-Housz-Oro S. Pemphigoïde de la grossese: revue de la littérature. Ann Dermatol Venereol 2011;138: 209–13.
5 Lipozencˇi´c J, Ljubojevic S, Bukvi´c-Mokos Z. Pemphigoid gestationis. Clin Dermatol 2012; 30: 51–5.
6 Kneisel A, Hertl M. Blasenbildende Autoimmundermatosen. Teil 1: Klinik. J Dtsch Dermatol Ges 2011; 9: 844–59.
7 Shimanovich I, Bröcker EB, Zillikens D. Pemphigoid gestationis: new insights into the pathogenesis lead to novel diagnostic tools. BJOG 2002; 109: 970–6.
8 Sitaru C, Zillikens D. Mechanisms of blister induction by autoantibodies. Exp Dermatol. 2005 14: 861–75.
9 Wohlrab J. Dermatotherapie in der Schwangerschaft. Hautarzt 2010; 61: 1046–51.

 

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