Diagnose
21. November 2024
Diagnose: Sekundäres Kälteagglutinin Syndrom bei monoklonale Gammopathie mit kutaner Signifikanz (MGKS) Typ IgM kappa
DISKUSSION
Pathophysiologie
Kälteagglutinine im Blut führen zur Verklumpung der Erythrozyten. Kälteagglutinine sind IgM-Antikörper und treten idiopathisch (Kälteagglutinin Krankheit) oder im Rahmen einer Grunderkrankung (Kälteagglutinin-Syndrom) auf. Als Grunderkrankungen sind vor allem Infektionen, lymphoproliferative oder autoimmune Erkrankungen bekannt (1,2). Patienten mit einem MGKS/MGUS Typ IgM kappa produzieren durch klonale B-Zellen vermehrt IgM, weshalb diese nicht selten der Auslöser für eine Kälteagglutinin Krankheit sind. Wenn die Temperaturen sinken, verlangsamt sich der Blutfluss in den kleinsten Kapillaren (1). IgM-Antikörper, welche im Rahmen der Kälteagglutininerkrankung häufig gegen das I/i-Antigensystem, einem Blutgruppensystem auf Erythrozyten, gerichtet sind, können sich an die Erythrozyten lagern und sie aufgrund ihrer Pentamerstruktur vernetzen(1,2). Die Verklumpung der Erythrozyten führt zu einer Ischämie der nachfolgenden Endstromgebiete. Die gebundenen IgM werden zudem durch den Komplementfaktor (C) C1q erkannt und markiert. Dies führt über den klassischen Weg zur Aktivierung der Komplementkaskade und zur Bildung einer C3-Konvertase. Diese spaltet C3 in C3a und C3b, das weiter in C3c und C3d gespalten werden kann. C3b bindet nun als Opsonin an die Erythrozytenoberfläche, welches von Phagozyten erkannt und eine Phagozytose zur Folge haben kann. Zudem bildet C3b bei Anlagerung an C4bC2a die C5-Konvertase. Diese formt in weiteren Schritten den Membran-attackierenden-Komplex, der zu einer direkten Lyse der Zelle führt. Es kommt zu einer intra- oder extravasalen Hämolyse. Die extravasale Hämolyse findet vor allem in der Leber statt, da sich dort viele Makrophagen befinden (1,2). Symptome Reversible Symptome der Kälteagglutinine sind eine Verklumpung der Erythrozyten und hierdurch eine Minderdurchblutung und Ischämie des Gewebes mit livider Verfärbung der Haut (3). Nach Komplementaktivierung kann es zu einer Hämolyse kommen. Es zeigen sich dann klinische Symptome der Hämolyse wie eine Anämie, Fatigue, Ikterus, Hämoglobinurie und Dyspnoe (3).
Diagnostik
Beweisend für eine Kälteagglutinin-Erkrankung ist ein direkter Coombs-Test mit Nachweis von an Erythrozyten gebundenem C3d. Hierbei werden gewaschene Erythrozyten mit Coombs-Serum vermischt, welches unter anderem gegen C3d gerichtet ist (1). Kommt es in vitro zu einer Verklumpung der Erythrozyten, hat man einen Nachweis für an Erythrozyten gebundenes Komplement. Es sollte zudem ein Kälteagglutinin-Titer von ≥ 1 : 64 bei der normierten Temperatur von 4◦C bestimmt werden, da Kälteagglutinine bei Gesunden ohne Symptomatik im Blut vorliegen können (1,2).
Differenzialdiagnostik
Abzugrenzen von Kälteagglutininen sind Kryoglobuline und Kryofibrinogenämie. Bei der Kryoglobulinämie, der zu 80 % eine Hepatitis-C-Infektion zugrunde liegt, kommt es zum Präzipitieren unterschiedlicher Antikörper ohne Beteiligung von Erythrozyten (4). Konsekutiv kommt es zu einem Verschluss von kleinen Gefäßen mit vaskulitischen Beschwerden mit der Trias: Purpura bis Hautnekrosen, Schwäche und Arthralgien und bei schweren Verläufen zu einer Glomerulonephritis (4). Eine Verklumpung von kälteabhängigem Kryofibrinogen im Plasma mit ähnlicher klinischer Symptomatik wie bei den Kryoglobulinen und zusätzlich arteriellen und venösen Thrombosen nennt man Kryofibrinogenämie (5).
Therapieoptionen
Unsere Patientin wies lediglich eine ausgeprägte Akrozyanose mit deutlicher Einschränkung der Lebensqualität ohne nachweisbare Hämolyse auf. Als Basismaßnahmen wurde der Patientin eine Meidung von Kälte und Nässe als auslösende Faktoren angeraten. Auch eine regelmäßige Bewegung der betroffenen Körperteile oder auch durchblutungsfördernde Massagen können wirksam sein. Die Patientin lehnte eine Therapie mit Immunsuppressiva aufgrund der potenziellen Nebenwirkungen ab. Ein Bericht suggeriert die positive Wirkung von Vasodilatatoren bei der Akrozyanose (6). Wir entschieden uns deshalb gemeinsammit der Patientin für eine Vasodilatatortherapie im Winter. Die Patientin erhielt daher Ilomedininfusionen (Ilomedin 20 μg/Tag für 3 Tage mit Steigerung auf Ilomedin 40 μg für weitere 2 Tage) im Rahmen eines stationären Aufenthalts. Diese hätten allerdings subjektiv keine ausreichende Besserung gebracht. Die Therapiemöglichkeiten ergeben sich aus der klinischen Symptomatik. Bei idiopathischer Kälteagglutininkrankheit kann bei einer milden Symptomatik zunächst abgewartet werden. Wenn jedoch eine Anämie besteht, können eine Transfusion von Erythrozytenkonzentraten, eine B-Zell-depletierende Therapie zum Beispiel mit Rituximab oder Daratumumab oder eine komplementhemmende Therapie mit Sutimlimab notwendig sein (2,7,8). Eine Plasmapherese kann bei starker Hämolyse erwogen werden (2,7,8). Wie bei sekundärem Kälteagglutinin-Syndrom empfohlen, wurde der Patienten bei ausgeprägter Einschränkung der Lebensqualität eine Behandlung der Grunderkrankung durch den behandelnden Hämatoonkologen empfohlen. Aufgrund einer Risiko-Nutzen-Abwägung und der saisonabhängigen Beschwerdesymptomatik entschied sich die Patientin zunächst gegen eine Therapie mit Rituximab.
INTERESSENKONFLIKT
Keiner.
LITERATUR
- Berentsen S. New Insights in the Pathogenesis and Therapy of Cold Agglutinin-Mediated Autoimmune Hemolytic Anemia. Front Immunol. 2020;11:590.
- GertzMA. Updates on the Diagnosis andManagement of Cold Autoimmune Hemolytic Anemia. Hematol Oncol Clin North Am. 2022;36:341-352.
- Swiecicki PL, Hegerova LT, Gertz MA. Cold agglutinin disease. Blood. 2013;122:1114-1121.
- Muchtar E, Magen H, Gertz MA. How I treat cryoglobulinemia. Blood. 2017;129:289-298.
- Santiago MB, Melo BS. Cryofibrinogenemia: What Rheumatologists Should Know. Curr Rheumatol Rev. 2022;18:186-194.
- Biddle K, Nathan J, Sandhu V. Treatment of gangrenous digitthreatening paraneoplastic acrocyanosiswith vasodilator therapy. BMJ Case Rep. 2023;16.
- Berentsen S, Randen U, Oksman M, et al. Bendamustine plus rituximab for chronic cold agglutinin disease: results of a Nordic prospective multicenter trial. Blood 2017;130:537-541.
- Röth A, Berentsen S, Barcellini W, et al. Sutimlimab in patients with cold agglutinin disease: results of the randomized placebo-controlled phase 3 CADENZA trial. Blood. 2022;140:980-991.
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Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom
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