Diagnose
2. September 2020
Diagnose:
Becker-Nävus-Syndrom
Diskussion
Der Becker-Nävus ist ein kutanes Hamartom mit flächiger Hyperpigmentierung und bei Männern mit Hypertrichose assoziiert. Er kann an jeder Körperregion auftreten, am häufigsten jedoch am Stamm, der Schulterregion und dem Oberarm [1, 2]. Die Verteilung ist schachbrettmusterartig und folgt nicht den Blaschko-Linien. Der Nävus ist bei Geburt nie vorhanden, sondern entwickelt sich meist erst im jugendlichen Alter. Er wurde 1949 erstmals von Becker beschrieben [3]. Im Jahr 1984 fanden Person und Longcope eine erhöhte Expression von Androgenrezeptoren [4]. Dies passt dazu, dass es zumeist erst postpubertär zur Hypertrichose kommt. Initial dachte man, dass Männer bevorzugt befallen sind, da die nur bei Männern vorkommende Hypertrichose oft als diagnostisches Kriterium gewertet wurde. Man geht heute von einem Geschlechterverhältnis von 1 : 1 aus [5]. Des Weiteren können sich intraläsional Akneherde entwickeln. Man vermutet, dass bei der Geburt schon Veränderungen vorhanden sind, welche zunächst jedoch subklinisch sind. Die Histopathologie ist eher unspezifisch. Es findet sich lediglich eine variabel ausgeprägte Hyperkeratose,eine Akanthose und eine Verlängerung der Reteleisten sowie eine verstärkte Pigmentierung der basalen Keratinozyten, sodass die initiale histopathologische Befundung beziehungsweise Beschreibung in unserem Fall mit einem Becker-Nävus gut vereinbar ist. Die klinische Hyperpigmentierung kommt dementsprechend nicht durch eine Vermehrung von Melanozyten zustande, sondern durch die Hyperpigmentierung der basalen Keratinozyten und einer Pigmentinkontinenz.
Im Jahr 1997 beschrieben Happle und Koopman als erste das Becker-Nävus-Syndrom [6]. Es handelt sich dabei um das Vorliegen eines Becker-Nävus in Assoziation mit einer ipsilateralen kutanen und oder muskuloskelettalen Fehlbildung (Hypoplasie der Mamma, Spina bifida, Skoliose oder Hypoplasie der entsprechenden Gliedmaße). Das Becker-Nävus- Syndrom hat eine Prävalenz von circa 0,52 % [7], dementsprechend sind in der Literatur nur wenige Fälle berichtet. Auch beim Becker-Nävus-Syndrom wurde eine Vermehrung der Androgenrezeptoren beschrieben. Androgene bewirken Haarwachstum, Aufbau von Proteinen in der Muskulatur und Aufbau von Knochen. Die Brustentwicklung ist östrogenabhängig. Östrogene fördern das Wachstum des Brustdrüsengewebes, der Mamillen und des Warzenhofes. Eine Hypoplasie kann durch eine Vermehrung der Androgenrezeptoren in diesen Bereichen erklärt werden, wenn dadurch der Einfluss von Östrogenen herunterreguliert wird. Spironolacton, ein Aldosteronantagonist, hat einen mitigierenden Einfluss auf Akne, Hirsutismus und androgenetische Alopezie. Es wird vermutet, dass Spironolacton zu einer verminderten Expression der Androgenrezeptoren führt und somit die Brusthypoplasie verbessern kann. In der Tat beobachteten Jung et al. nach einer vierwöchigen Behandlung ein Brustdrüsenwachstum bei einem Becker-Nävus-Syndrom [8].
Das Becker-Nävus-Syndrom tritt sporadisch auf. Happle schlug zunächst eine paradominante Vererbung vor, einen autosomal-rezessiven Erbgang, bei dem eine zygotische Homozygotie einen Letalfaktor darstellt [5]. Nur Mosaik-Homozygotien sind mit dem Leben vereinbar. Wird eine heterozygote Mutation über mehrere Generationen weitergegeben und tritt dann bei einem Individuum eine Zweitmutation in Mosaikverteilung auf, kommt es zu einer phänotypischen Ausprägung. Diese Hypothese revidierte Happle jedoch [5],da Cai et al. 2017 postzygotische ACTB Punktmutationen (c.C439T, p.R147C) im Beta-Aktin-Gen beim Becker-Nävus und Becker-Nävus-Syndrom fanden [9].
Da diese Mutationen jedoch nur im Pilarmuskel identifiziert wurden, der klinische Phänotyp aber eine Epidermis- und Haarfollikelhyperplasie beinhaltet, geht man davon aus, dass ACTB-Mutationen, die mit Becker-Nävi assoziiert sind, nicht zellautonom wirken. Wahrscheinlich liegt dem Becker Nävus-Syndrom im Gegensatz zum isolierten Becker-Nävus eine frühere Mutation in der Entwicklung zugrunde, die sich auf mehrere Zelllinien auswirkt [9]. Aufgrund der genetischen Ursache gibt es keine grundlegende Behandlung. In Frage käme die Behandlung mit Spironolacton als Antiandrogen, Entfernung der Haare durch Epilieren [10] und unter Umständen chirurgische Korrekturmaßnahmen der Mammahypoplasie. Da sich unser Patient durch die Veränderungen überhaupt nicht beeinträchtigt fühlte, wurden therapeutische Optionen nicht besprochen.
Interessenkonflikt
Keiner.
Literatur
1 Alfaro A, Torrelo A, Hernandez A et al. Becker nevussyndrome. Actas Dermosifiliogr 2007; 98: 624–6.
2 Ferreira MJ, Bajanca R, Fiadeiro T. Congenital melanosis and hypertrichosis in bilateral distribution. Pediatr Dermatol 1998; 15: 290–2.
3 Becker SW. Concurrent melanosis and hypertrichosis in distribution of nevus unius lateris. Arch Derm Syphilol 1949; 60: 155–60.
4 Person JR, Longcope C. Becker’s nevus: an androgen-mediated hyperplasia with increased androgen receptors. J Am Acad Dermatol 1984; 10: 235–8.
5 Happle R. Becker’s nevus and lethal beta-actin mutations. J Invest Dermatol 2017; 137: 1619–21.
6 Happle R, Koopman RJ. Becker nevus syndrome. Am J Med Genet 1997; 68: 357–61.
7 Lucas J. Orphan Diseases – Das Becker-Naevus-Syndrom. Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76: 1200–00.
8 Hoon Jung J, Chan Kim Y, Joon Park H, Woo Cinn Y. Becker’s nevus with ipsilateral breast hypoplasia: improvement with spironolactone. J Dermatol 2003; 30: 154–6.
9 Cai ED, Sun BK, Chiang A et al. Postzygotic mutations in betaactin are associated with Becker’s nevus and Becker’s nevus syndrome. J Invest Dermatol 2017; 137: 1795–8.
10 Lapidoth M, Adatto M, Cohen S et al. Hypertrichosis in Becker’s nevus: effective low-fluence laser hair removal. Lasers Med Sci 2014; 29: 191–3.
Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom
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